Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden


[ Vermieter und Bauherr ] (1920-1925)

aus dem Anhang der Ratheimer Chronik von Peter Schlebusch, aufbereitet von Helmut Winkens
 

[ Als Vermieter ]

Im Jahre 1919 starb mein Vater. Sein letzter Wille war, ich sollte das Elternhaus mit allem, was darin war, zu einer bestimmten Geldsumme bekommen, weil die anderen Brüder alle schon ein Haus hatten. Weil aber das Vormundschaftsgericht in M.Gladbach, wegen der unmündigen Kinder meines im ersten Weltkrieg gefallenen Bruders Franz, da ein Wort mitzusprechen hatte, machte mir dieses auf Anraten meiner zwei anderen Brüder, Schwierigkeiten. Wären meine Brüder auf den letzten Willen meines Vaters eingegangen, hätte ich auf das andere Vermögen verzichtet. Aber diese wollten alles zu Geld machen. Nach dem Verkauf setzte die Inflation ein und als sie das Geld ausgezahlt bekamen, war es nichts mehr wert. Das Vormundschaftsgericht entschied aber zu meinen Gunsten.

Weil ich aber vorläufig das Elternhaus nicht bewohnen konnte, setzte ich da einen Mieter hinein. Da dieser Mieter ein Korbmacher war und dieses Handwerk nicht viel Verdienst abwarf, besorgte ich ihm eine Stelle auf der Glanzstoff. Als ihm diese Arbeit zu schwer fiel, besorgte ich ihm eine leichtere. Zunächst ging alles gut. Er konnte sich eine Kuh anschaffen, aber er fütterte schlecht.

Allmählich machte er sich in meinem Hause breit. Er benutzte Räume, die er nicht gemietet hatte. Als ich ihn darauf zu Rede stellte, war der Teufel los. Dann kam mir zur Kenntnis, dass er sich auf der Glanzstoff allerhand aneignete und in meinem Hause verwahrte. Ich war mittlerweile in meinem Hause eingezogen. Eine Verwandte von mir führte den Haushalt. Meine Arbeitsstätte in Oberbruch erreichte ich mittels eines Fahrrades. Um eines Tages nicht als Mitschuldiger zu gelten, ließ ich bei ihm eine Haussuchung halten und man entdeckte Sachen bei ihm, das was ich nicht für möglich gehalten hätte. Es waren Gegenstände, die er gar nicht gebrauchen konnte, für den Betrieb aber wertvoll waren.

Als nun seine Schikane noch größer wurde, kündigte ich ihm schriftlich. Jetzt war der Teufel erst recht los. Das Räumungsurteil wurde ausgesprochen, aber nicht vollstreckt. Am Tage vor der Vollstreckung des Urteils fing er bei der Regie (Franzosen) an; der passive Widerstand fing an. Jetzt hatte er die Besatzung im Rücken, er tat in meinem Haus, was er wollte. Er sagte und beschimpfte mich nach Herzenslust. Er hatte mich so bei der Besatzung angeschwärzt, dass er glaubte, die Besatzung würde mich über den Rhein verbannen und er würde Eigentümer meines Hauses. Dabei wurde er von zwei Personen unterstützt, die ihm nachher aber alles, was er noch hatte, abnahmen.

In einem von mir angestrengten Prozess, der seine Heraussetzung zum Ziele hatte, wurde er zu drei Monaten und drei Tagen Gefängnis verurteilt. Seine Schutzzeugen, die zwei oben erwähnten Personen, die er aufgeboten hatte, waren solche zweifelhaften Menschen, dass der Richter zu einem sagte:

"Sie können aussagen was sie wollen, geglaubt wird Ihnen kein Wort."

Wegen ungebührlichen Betragens vor Gericht bekam diese Person einen Tag Haft.

Der Mieter legte gegen dieses Urteil beim Landgericht in Aachen Berufung ein. Ehe nun die Verhandlung beim Landgericht anfing, sagte der Richter zu ihm:

"Sie werden hart bestraft."
Sein Anwalt sagte zum Richter: "Herr Richter, das habe ich auch zu ihm gesagt."
Der Richter wandte sich an mich und frug: "Ist keine Einigung möglich?"

Da der Mieter mittlerweile aus meinem Haus heraus gesetzt worden war, hatte ich kein Interesse an einer Bestrafung. Ich schlug folgende Einigung vor: seine Verleumdungen musste er zurück nehmen und mir alle Unkosten, die ich um seinetwillen gehabt hatte, ersetzen. Der Richter und auch sein Anwalt sagten zu ihm:

"So eine Einigung werden Sie nie mehr erleben."

Der Mieter war dann mit dieser Einigung einverstanden. Schaden hatte ich durch diese Prozesse trotzdem, weil ich nur die gerichtstariflichen Unkosten ersetzt bekam.

Als dieses alles durch Gottes Fügung abgewickelt war, kam es nochmals zu einem Zwischenfall. Im Jahre 1929 wurde ich in den Gemeinderat gewählt und dieser wählte mich zum zweiten Beigeordneten. Mein ehemaliger Mieter war darüber erbost. Er schrieb über meine Person an den damaligen Bürgermeister Lux einen Brief, der nur von Verleumdungen und Beleidigungen strotzte. Den Mann anzuzeigen lehnte ich ab. Darauf zeigte ihn der Bürgermeister wegen Beamtenbeleidigung an. Er bekam dafür 14 Tage Gefängnis. Jetzt erst war dieser Mann kuriert.
 

Zwischenbericht

Der zuerst genannte Mieter, der im passiven Widerstand bei der Regie (Franzosen) angefangen hatte zu arbeiten, trieb die Sache bis auf die Spitze. Hätte ich in Heinsberg kein guter Freund gehabt, der viel mit dem Besatzungskommandant verkehrte, wer weiß wie die Angelegenheit noch geendet hätte. Der Kommandant äußerte sich meinem Freund gegenüber wie folgt:

"Ich weiß, dass alle Deutschen, die bei uns arbeiten, Lumpen sind. Schenkten wir dem Manne Glauben, der Schlebusch bei uns angeschwärzt hat, so würden wir Schlebusch nicht nur über den Rhein schicken, sondern wir würden ihn erschießen."

Trotzdem hat er es fertig gebracht, dass zweimal bei mir Haussuchung wegen Waffenbesitz abgehalten wurde. Sie fanden auch ein Jagdgewehr, das sie aber nicht interessierte, sondern sie frugen sich einen Apfel, wovon ich einen Haufen auf einem Zimmer liegen hatte.

Der betr. Mieter ist dann nachher mit seiner Schwester armselig gestorben. Seine Freunde hatten ihm das letzte, das was er noch hatte, abgenommen. Er musste nachher von der Wohlfahrt unterhalten werden.

Ich habe ihm verziehen, möge Gott es auch getan haben.
 

Es wird ein Haus gebaut

Photo: Peter Schlebusch vor seinem Haus
Peter Schlebusch
vor seinem Haus Burgstr. 17

(mit seiner späteren
Frau Hertha und Hund Sonni)

Bildquelle: Ratheimer Chronik
von Peter Schlebusch

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Mein Elternhaus war mir durch die geschilderte Mietergeschichte entfremdet worden. Auf dem Weg zur Arbeitsstätte hatte ich zwei Steigungen zu überwinden, die ich mit meinem Fahrrad nicht schaffen konnte; sei es ich fuhr über Orsbeck war es der Luchtenbergerweg, sei es über Ratheim war es der Kirchberg. Da die Gemeinde Ratheim billiges Bauland zur Verfügung stellte, kaufte ich eine solche Baustelle. Frühjahr 1925 wurde dann mit dem Bauen angefangen durch die Bauunternehmung Wilhelm Janssen, Vater der jetzigen Bauunternehmung Wilhelm Janssen u. Co. Ratheim. Mit meinem Elternhaus war ich zum Verkauf in Verhandlung.

Mein Bauen hatte schon begonnen und die Verkaufsverhandlungen zerschlugen sich. Infolgedessen war ich gezwungen, Geld aufzunehmen. Ich musste teilweise sehr hohe Zinsen zahlen. Ein so genannter Zwischenkredit in Höhe von 4000 Mark von der Landesbank wurde lange Zeit mit 12% verzinst, einmal sogar mit 24%. Dadurch, dass ich in meinem Elternhaus drei Mieter hatte, durch mein Gehalt in Oberbruch und durch meine Kriegsrente konnte ich dieses meistern. Mit meinem Bauunternehmer war ich aber nicht zufrieden. Obwohl er immer Geld von mir im Vorschuss hatte, ließ er den Bau sechs Wochen bei der ersten Balkenlage liegen. Bei der Abrechnung, wobei mir mein Bruder Heinrich, der auch etwas vom bauen kannte, half, bekam ich noch 600 Mark zurück.

Am 25. November 1925, auf St. Katharinatag, zog ich in dem neuen Haus Ratheim, Burgstr. 17 ein. Dieser Tag war mit Schnee und Sturm begleitet. In der darauf folgenden Nacht fing es stark an zu frieren und dieser starke Frost hielt drei Wochen an. Meine jetzige Frau Hertha musste jeden Morgen nach Garsbeck gehen um die Hühner dort zu füttern und abends musste es die Eier holen gehen.

Mittlerweile habe ich mein Elternhaus auf Garsbeck verkauft. Mit drei Mietern umzugehen war nicht leicht. Erließ ich einmal einem Mieter wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse etwas von der Miete, wollten die anderen dasselbe. So hatte ich immer meinen Ärger. Auch wurde das Haus sehr unterwohnt. Ein Bergmann, der auch zur Miete wohnte, hat es dann gekauft und ich konnte alle Hypotheken, die ich durch das Bauen aufgenommen hatte, löschen.

 

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