Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden


Aus dem Kriegstagebuch des Baron Egon Spies von Büllesheim

von Johannes Bürger (2003)
 

Die Familie Spies von Büllesheim auf Haus Hall in Ratheim genießt seit jeher in Ratheim und darüber hinaus großes Ansehen. Mitglieder der Familie waren vielfach in öffentlichen Funktionen tätig. So war z.B. Edmund Freiherr Spies von Büllesheim (geb. 1820) von 1855 bis 1867 Bürgermeister von Ratheim, Adolf Freiherr Spies von Büllesheim bekleidete von 1897 bis 1919 das Amt des Ratheimer Ehren-Bürgermeisters. Sein Enkel Adolf Freiherr Spies von Büllesheim (geb. 1929) war u.a. von 1969 bis 1972 Bürgermeister der Stadt Hückelhoven-Ratheim und von 1972 bis 1987 Mitglied des Deutschen Bundestags.

Das Rittergut Hall gelangte 1510 an die Familie von Olmissen gen. Mülstroe und ist bis 1794 in deren Besitz geblieben. Gerhard Kaspar Edmund von Olmissen gen. Mülstroe hatte 1765 das Kernstück des Wohnhauses von Haus Hall im sog. Couvenstil errichten lassen. Durch Heirat kam das Rittergut in den Besitz des Freiherrn Raitz van Frentz und 1817 wiederum durch Heirat in den Besitz der Familie Spies von Büllesheim. Adolf Freiherr Spies von Büllesheim ließ 1904 durch die beiden Flügelbauten Haus Hall zum Herrensitz erweitern.

Anlässlich der 100. Wiederkehr des Geburtstages von Egon Freiherr Spies von Büllesheim, geb. am 26.4.1900, hat seine Tochter Sophie Fürstin Hatzfeld-Trachenburg, geb. Freiin Spies von Büllesheim „nach teilweise schwer lesbaren Tagebuchaufzeichnungen” ihres Vaters sein „Kriegstagebuch 1943-1947" niedergeschrieben.
Dieses Kriegstagebuch ist wert, wenigstens auszugsweise einer breiten heimischen Öffentlichkeit bekannt zu werden, weil es Eindrücke eines tiefreligiösen Mannes, der dem Naziregime sehr distanziert gegenüberstand, als Soldat in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren wiedergibt. Besonders interessant sind diese Aufzeichnungen auch deshalb, weil sie von außen her über Ereignisse und Zustände in unserer Heimat in dieser Zeit einiges aussagen.

Im Vorspann zum Kriegstagebuch schreibt Fürstin Hatzfeld:

Dem Aufkommen des Nazismus brachte er große Skepsis entgegen, wenn man auch zu Anfang glaubte, dass er zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten beitragen könnte. Als dann aber die Verfolgung der Kirche und der Juden begann, waren Hitler und seine Genossen für ihn untragbar. Wie immer nahm unser Vater an der Fronleichnamsprozession teil und begleitete das Allerheiligste zusammen mit den Mitgliedern des Kirchenvorstandes, [das hatte in Ratheim eine lange Tradition, der Verf.]. Die Folge war, dass er nach einer Wehrübung eines deutschen Offiziers für unwürdig erklärt wurde, außerdem wurde sein Jagdschein nicht verlängert. Dies traf ihn besonders hart.

Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann, rechnete mein Vater mit seiner Einberufung. Da es anscheinend aber genug Feldwebel gab, kam die Einberufung nicht. Im April 1943, als er schon 43 Jahre alt war, kam sie dann aber doch. Alles weitere steht in den Aufzeichnungen. Über die Heimkehr unseres Vaters nach der langen Gefangenschaft am 3. 1. 1947 schreibt er kein Wort. Seine Frau hatte ihm in einem Brief in die französische Gefangenschaft in Lorient Folgendes mitgeteilt:

„Nun muß ich Dir noch erzählen, daß sich in den Trümmern der Kreisleitung der NSDAP in Erkelenz hochinteressante und für Dich und mich wertvolle Papiere über Deinen Kampf gegen das Naziregime gefunden haben. Was hat die braune Bande doch hinter unserem Rücken für ein Spiel getrieben bzw. auch mit unserem Wissen. Vor allem auch Deine treue katholische Haltung und wie Du Dich für die Rechte der Kirche eingesetzt hast, spielt eine große Rolle, wie auch natürlich die Jagdscheinsache und warum Du kein Offizier werden konntest. Deine ,politische Unzuverlässigkeit' wird immer wieder betont. Ich bin hoch beglückt, diese wertvollen Dokumente durch gute Fügung Gottes zu haben, viele andere hier freuen sich mit uns. Hoffentlich können sie zur Änderung Deiner Lage beitragen."


Das Kriegstagebuch

19.5.1944, der letzte Urlaubstag

Es sieht so aus, als würden wir kurz vor der Invasion stehen. In der Presse heißt es die „langersehnte"! Ich hoffe und glaube, daß damit auch das Ende des Krieges, den man nur als aussichtslos bezeichnen kann, näher gekommen ist. Die Luftangriffe haben ja auch ein unvorstellbares Ausmaß angenommen. Eine ruhige Nacht gehört zu den Seltenheiten. In der letzen Woche fielen auch hier auf dem Land Bomben, in Hilfarth 18 Tote und 160 Personen obdachlos. In Grebben 6 Tote. Ich glaube, daß es sich um Notabwürfe handelte, da eine Maschine in Himmerich abstürzte. Die Folge ist jedenfalls zunehmende Unruhe und Verängstigung.

7.6.1944, Paris

Gestern war der Beginn der Invasion! Meine letzten Aufzeichnungen sind vom 19.5. aus Trier [Er war kurz nach seiner Einberufung krank geworden und hat die Zeit danach in Lazaretten und Krankenhäusern in Deutschland, zeitweise in Linnich verbracht]. Am 20.5 werde ich beim Antreten aufgerufen und erhalte die Versetzung zur Truppe nach Lorient. Man kann noch nicht sagen, wann das Ende kommen wird, man muß es Gott überlassen und ihn bitten, uns gnädig zu sein. Schwere Stunden stehen noch Heimat und Wehrmacht bevor. Ich bin gespannt, ob mich noch ein Zug aus Paris bringt und wo ich die nächste Nacht zubringen werde.

22.7.1944, Lorient

Vorgestern Abend sprach der Hauptfeldwebel nach dem Abendessen von einem Anschlag auf den Führer. Er habe Brandwunden erlitten. Gestern morgen wurden wir um 5 1/2 Uhr geweckt. Angetreten in Stiefel mit Sturmgepäck, aber ohne Waffen. Wir mußten uns im Viereck aufstellen, ca. 500 Mann, die Horstkompagnie, die Luftnachrichtenstelle, Anwärter und Landesschützen incl. Offiziere und Beamte. Nach längerem Warten liest der Oberst dann den offiziellen Bericht über den Anschlag auf den heißgeliebten Führer vor und erläutert ihn. Der Bericht kam noch in der Nacht durch das Radio, auf den dann irgendeine Stelle aufmerksam machte. Himmler hat also den Oberbefehl über das Ersatzheer übernommen. Dönitz ist für die Marine und Göring für die Luftwaffe zuständig, beide haben gesprochen. Mir fällt auf, daß sich vom Heer, das doch die Hauptlast des Kampfes trägt und den Rest unsere Stärke darstellt, niemand geäußert hat. Ich werde an die Zeit vor 26 Jahren (1918) erinnert, als es oft hieß „Alle Mann achteraus". Was mag wohl in Berlin geschehen sein, was werden die Folgen sein?
Nun ist der eigentliche Krieg an der Front und in der Heimat in den Hintergrund getreten vor dem, was sich in der Führung abspielt. Diese Auseinandersetzungen werden nicht ohne Blutvergießen abgehen.

26.7.1944, Lorient

Wie ich auf der Poststelle höre, hat der Führer am 24.7. gesprochen. Nun ist auch für alle Soldaten der „Deutsche Gruß" eingeführt worden.

24.8.1944, Reservestellung bei Larmor

Wie hat sich wohl die Lage entwickelt? Den Amerikanern ist wohl der große Durchbruch gelungen, sie stehen bei Paris. Um Chartres wird noch gekämpft, die alte Invasionsfront ist teilweise vom Rücken bedroht, es erfolgten neue Landungen in Südfrankreich, gestern hörte man von Bordeaux? Man kann jedenfalls sagen, daß der Einbruch in die Festung Europa gelungen ist und der "Atlantikwall" nicht mehr besteht. Auch in Rußland und Italien scheinen sich die Ereignisse zu überstürzen. Da wir ohne Zeitung sind und nur einzelne Heeresberichte bekommen, ist es sehr schwer, alles zu verfolgen. So kann man auch die Verwirrung erklären, die bei uns unter unserer Führung herrschte. Es war ein regelrechter Zusammenbruch, bei uns sicher noch fühlbarer, da die Luftwaffen-Offiziere in keinster Weise für den militärischen Infanteriedienst vorbereitet waren. Hier darf man wohl von einem Versagen sprechen, es ließ sich ja auch niemand sehen.

16.10.1944, Reservestellung bei Larmor

Ich hatte eine freudige Überraschung, es kam ein Brief von Hille [seiner Frau] aus Hall vom 11.9. Am Tage zuvor seien dort Truppen zur Besetzung des Westwalles eingetroffen. Doch wie sehr hat sich in diesen 4 Wochen die Lage verändert, Aachen und vor allem Geilenkirchen schienen im Mittelpunkt der Kämpfe zu stehen, der Westwall scheint an diesen Stellen durchbrochen zu sein. Mit Sorgen denkt man an  die Familie, wie mag es ihnen gehen und wo mögen sie sein?

Wie aus einem Brief an einen Kameraden aus Tüschenbroich hervorgeht, soll die Bevölkerung zur Räumung aufgefordert worden sein. Doch mit wie großen Gefahren ist eine Evakuierung unter den augenblicklichen Zuständen verbunden. Man weiß nicht, was man sich wünschen soll und überläßt es ganz der Fügung Gottes, der einzige Trost, der einem in dieser Zeit bleibt. Ich bin dankbar, daß ich hier die Gelegenheit habe, an den Sonntagen die Messe zu besuchen. Öfters unterhalte ich mich über religiöse Fragen mit dem Uffz. Westermeier von den Landesschützen, einem Bauer aus der Paderborner Gegend. Man hat sich ja mit dem Geschick abgefunden, aber es tut doch sehr gut, sich mit einem Gleichgesinnten unbelastet unterhalten zu können.

18.11.1944, Congard

Spärlich nur treffen Nachrichten aus der Heimat ein, doch ich bekam einen Brief von Hille aus Edelborg vom 29.9., erhalten am 20.10. Am 15.9. wurde also unsere Gegend zwangsevakuiert mittels Sammeltransporten. Meine Familie befindet sich in bester Obhut von Schwager Clemens Oer. Das beruhigt mich.

1.1.1945, Larmor Plage

Am 3.12. wurde ich zum Regiment bestellt, ich sollte als landwirtschaftlicher Beirat zur Erhaltung der französischen landwirtschaftlichen Betriebe in dieser Gegend fungieren. So lerne ich hier die Bauernschaft kennen.

22.2.1945, Larmor Plage

Der Heeresbericht meldet die Sprengung der Talsperren an der oberen Rur, unsere arme Gegend, alles Menschenwerk in Gottes Hand. Die Große Offensive zwischen Roermond und Düren soll lt. O.K.W.-Bericht begonnen haben. Die Bombardierungen und die Tieffliegerangriffe dauern an, vor allem auf die Verkehrsknotenpunkte. Damit bricht das ganze moderne Wirtschaftswesen mit seinen Menschenanhäufungen zusammen, wie viele Millionen Menschenleben wird dieser Zusammenbruch kosten. Das alles ist das Werk des Übermenschen, der noch immer nicht das Ende einsehen will.

2.4.1945, Ostermontag, Larmor Plage

Heute morgen war ich in der Kirche und hörte dann von dem Aufruf „Wehrwölfe", d.h. Aufforderung zu Terror und Bandenkrieg. So weit sind wir also gekommen, man muß sich schämen und möchte sich im Boden verkriechen. Hier nimmt die Nervosität bei den Offizieren sehr zu, noch scheint man nicht zugeben zu wollen, wo wir stehen und wer uns in dieses Unglück gestürzt hat.

24.4.1945, Larmor Plage

Wie ich höre, ist Gironde gefallen, St. Nazaire wurde angegriffen, wann geht es bei uns los? Der Allgemeine Zusammenbruch ist wohl schon da, jetzt frage ich mich, was früher kommt, der Fall unserer Festung oder das Kriegsende? In Süddeutschland machen die Alliierten große Fortschritte, in Berlin sind Straßenkämpfe. Göbbels und Hitler sollen auch dort sein, das müßte das Ende sein, auf das alle so lange gewartet haben. Jeder normale Mensch hätte es bei dieser Lage schon lange eingeleitet.

Nach Beendigung der Kampfhandlungen wird es eine Hungersnot, Seuchen, Raub und Plünderungen geben. Dies wird dann wieder vielen Deutschen das Leben kosten. Möge uns der Herrgott gnädig sein. Kann man die Behauptung wagen, das diese Strafgericht ungerecht sei? Dazu kann ich nur nein und nochmals nein sagen, wenn auch viele Unschuldige sowie Frauen und Kinder unter den Opfern sind. Hier muß man an die Erbsünde denken und die Verantwortung gegenüber Gott, die jeder Mensch hat. Wozu sind wir auf Erden... Wenn der Mensch zum Selbstzweck geworden ist und nicht ohne Erfolg den ,neuen Turm zu Babel' errichtet, wobei Gott keine Rolle mehr spielt, muß das Gericht kommen. Ich muß dem Herrgott danken für die Gnade, die er mir erwiesen hat. Müssen wir Eltern uns nicht vor den Urteilen, die unsere Kinder über uns und unsere Zeit fällen, fürchten?

2.5.1945, Larmor Plage

Gestern Abend hörten wir aus offiziellen Berichten, daß Hitler auf seinem Gefechtsstand gefallen sei. Admiral Dönitz sei von ihm mit der Führung der Truppen und des Staates beauftragt worden. Hier hat sich die Lage immer noch nicht entschieden, Anzeichen deuten auf eine baldige Übergabe hin. Der Beschuß geht weiter, immer wieder Störfeuer. An neuen Nachrichten hört man von der Besetzung Hamburgs, das als offene Stadt erklärt wurde, Prag wurde Lazarettstadt, Schwerin-Krosigk wurde Außenminister und sprach einige Worte am Radio. Die Partei scheint nun endgültig ausgebootet. Somit ist das dritte Reich zu Ende, doch diese Regierung wird nur von kurzer Dauer sein, man hofft und hofft auf den Schluß. Wie lange noch? Man findet immer wieder Beruhigung im Gebet.

 

Die Kriegsgefangenschaft

10.5.1945, Christi Himmelfahrt

Endlich ist es soweit, seit Montag, dem 7.5.1945. Die Festung hat sich ergeben, die Waffen sprechen nicht mehr.

19.7.1945, Lorient, Seydlitz Artilleriekaserne

[Es wird jetzt über die ersten Wochen der Kriegsgefangenschaft berichtet. Mit einigen Kameraden flüchtet der Tagebuchschreiber. Aber die Flucht misslingt. Kurz vor Quimperlé werden sie gefasst. In Kerbastic werden sie verhört.]
Wörtlich: „Es folgt eine Behandlung à la Nazi!" Es folgt ein Verhör durch einige französische Offiziere, die einen freundlichen Eindruck machen, dann wurden wir in Erdlöchern hinter dem Schloß untergebracht, ohne Decken und ohne Mantel. Nach einigen Tagen, ich weiß nicht wie viele es waren, wurden wir zu dem Gefangenenlager in den Fliegerhorst gefahren, wieder werden wir in einen Bunker gesteckt, ohne Decken oder Unterlage mußten wir die Nacht verbringen.

Am Samstag, den 16.6. [?] kamen wir dann in ein anderes Barackenlager. Unser Tag beginnt mit dem Wecken um 6 1/2 Uhr, 7 1/4 ist Appell, dann stellen wir uns in Gruppen auf, wo unsere Besteller uns abholen, oder auch nicht. Ich denke, so ähnlich muß ein Sklavenmarkt gewesen sein.

Eine Woche später, ohne Datum

Nun bin ich mit einem Kameraden bei einem kleinen Landwirt, wir haben Heu aufgeladen. Zu unserer großen Freude werden am Abend Kirschen gepflückt, für mich die ersten und einzigen dieses Jahres! Für die Nacht kehren wir zu unserem Sergeanten zurück auf den Heuboden. Leider wurden wir dann am Samstagabend wieder hier abgeholt.

In der folgenden Woche kann ich dann nur noch einmal zu einem Bauern in der Nähe von Fort Bloque. Es tat so gut, daß uns von unserem Brotherrn absolut keine Gehässigkeit entgegengebracht wurde.
Am Dienstagmorgen ist es dann soweit, alle antreten, die Leute, die nach Lorient kommen, werden verlesen. Der größere Teil des Lagers muß Hals über Kopf packen, bald zog der Treck in Richtung Seydlitz-Kaserne.

28.7.1945, Samstagnachmittag, Seydlitz-Kaserne Lorient

Die unzureichende Verpflegung und die Eintönigkeit des Lagerlebens erzeugen eine gereizte Stimmung, die sich immer mehr bemerkbar macht. Verdächtigungen und Zusammenstöße sind an der Tagesordnung, der Hunger und die Nervosität nehmen zu. Schließlich habe ich mich dann doch am Montag zu einem Arbeitskommando gemeldet, in der Stadt wird viel gearbeitet, es ist auch wieder Verkehr von Zivilisten, eine Reihe von Baracken werden aufgestellt.

Ich muß Munition sortieren und verladen, die in und bei dem großen Krankenhaus lagert. Dann muß ich zu der Stadtverwaltung, wo wir aus Auray gerettete Bilder wieder in das Museum bringen müssen.

Am Donnerstag hatte ich dann ein sehr gutes Kommando, es wurden Leute zur Hilfe in einer Städtischen Küche, früher Soldatenheim, gesucht. Ich meldete mich und hatte Glück, wir mußten Brennholz machen, Herde reinigen, Speisesaal aufräumen, Kartoffeln und Zwiebel schälen, Bohnen döppen usw. Dafür gab es ein ausgezeichnetes Mittagessen, Suppe, Fisch, Fleisch, Kartoffeln und Brot, so daß wir mehr als satt waren. Was ist das doch eine Wohltat, endlich einmal wieder satt zu sein, der Hunger hat so manche Wirkungen.

5.8.1945, Seydlitz Kaserne Lorient

Heute bekam ich die Keroman Nachrichten. Die Bestimmungen des Potsdamer Konferenz sind also, daß Deutschland viergeteilt bleibt, es soll allerdings eine wirtschaftliche Einheit bleiben. Dies scheint mir eine typische Kompromisslösung zu sein, zumal man an anderer Stelle von einer Dezentralisation spricht. Wie mag es mit den Reparationen gehen?

12.8.1945, Seydlitz Kaserne Sonntagnachmittag, 17.00 Uhr.

Wehmütig denke ich an die Sonntagnachmittage zu Hause. Was sind das doch hier für erbärmliche Sonntage, wieder kein Gottesdienst. Dr. Weichlein, der frühere Marineseelsorger, und Thomas haben sich auch schon bemüht. Am Donnerstag hatte ich eine freudige Überraschung, der Dolmetscher brachte mir einen Brief von Hille vom 2.8.45 mit der guten Nachricht, daß die Familie gesund ist und sogar das Haus in Ordnung sei. Meine Freude war riesig groß und nicht zu beschreiben, hatte ich doch 4 1/2 Monate in Ungewißheit gelebt. Dem Herrgott sei dank! Der Krieg mit Japan ist nun auch zu Ende. Ich las die Rede des USA Präsidenten Truman und schöpfte daraus die Hoffnung, daß unsere Gefangenschaft nicht vor langen Dauer sein wird.

14.10.1945, Kervegant, Sonntagabend 20 Uhr.

Zum ersten Mal wurden wir heute zum Kirchgang nach Ploemeur geführt, die Messe war um 10 Uhr in St. Anne. Es kamen auch aus den beiden anderen Lagern, Keriver und Kerludam, Gefangene hin. Wir waren 60 Mann und wurden von 4 Posten mit aufgesetztem Seitengewehr eskortiert! Die Kapelle schien mir alt zu sein, einfach und hübsch, jedenfalls war es nach längerer Zeit mal wieder eine Kirche.

Mittwoch und Freitag kam ich nach Kerpape (Landwirtschaft des Sanatoriums) und konnte bei Guillemos essen. Ich besuchte auch Esvan und sah viele der aus meiner Dienstzeit bekannten Bauern. Alle begrüßten mich freundlich und sprachen dann noch mit dem Posten, das freut einen doch. Ich soll für ständig angefordert werden. Immer mehr hört man von einer längeren Dauer der Gefangenschaft. Wann endlich kommt die Postverbindung mit der Heimat?

Heute wurde am Ende der Messe die "Speyrer Domfestmesse" als Vorbereitung für Weihnachten eingeübt! So wird es wohl das dritte Weihnachten fern der Familie werden. Einmal war es nach dem Unfall im Lazarett in Lorient, dann eingeschlossen in der Festung und jetzt in der Gefangenschaft, das ist schon recht bitter.

21.10.1945, Kerpape

Nun bin ich doch in Kerpape gelandet und bin sehr froh darüber. Die Woche ging schnell herum und voll Vertrauen sehe ich in die Zukunft, bisher wurde ich in der Gefangenschaft auch nicht verwöhnt, ich stelle ja auch keine Ansprüche. Der Aufenthalt hier, 100 Meter vom Meer entfernt, gefällt mir. Wie ich jetzt hörte, darf man ab jetzt nach Deutschland bzw. in das von den Franzosen besetzte Gebiet einmal in der Woche schreiben. Da denke ich an Gemünden/Hunsrück. So hoffe ich, daß Hille eines Tages Nachricht von mir bekommen wird.

12.11.1945, Kerpape

Allerheiligen war Feiertag, ich dachte an zu Hause und die Toten in der Gruft, der Tag war wie Allerseelen dazu geeignet, trübe Gedanken zu wecken, aber wofür? Jetzt darf man auch in die englische Zone schreiben, aber nur mit Formularen, die aber noch nicht da sind. Ich will auch noch an Abt. Galen schreiben, damit Hille möglichst bald Nachrichten hat.

17.12.1945, Kerpape

Die Flut hindert mich daran, Muscheln zu sammeln, so mache ich einen Spaziergang zu Chaton. Sie sind so besonders nette Leute, luden mich zum Kaffe ein und schenkten mir noch ein Glas Honig.

25.12.1945, Kerpape, Weihnachten gegen 16 Uhr

Der vergangene Sonntag brachte mir eine große Freude, nach Larmor zu kommen und den Rector zu sehen. Er hatte Besuch von einem anderen Geistlichen aus St. Anne und einem Neffen, einem Marine­offizier. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen, er erfüllte meine Bitte, für die Familie eine Messe zu lesen. Der Neffe war in Gefangenschaft gewesen. Wir unterhielten uns sehr gut. Gestern, hl. Abend hatten wir bis 15 Uhr Hofreinigen, wie es hier üblich ist. Für uns gab es dann „Casse croute" und einen sehr guten Rotwein. Wir verbrachten den Tag ruhig. Ich hatte eine Zeitung bekommen und die Zeitschrift „la viecatholique", die mich sehr interessiert.

1.1.1946, Kerpape, Neujahr 15 Uhr

Diese Woche hatte ich eine neue Beschäftigung, Flaschen spülen für den Cidre und dann die Flaschen aus dem Faß füllen, aber der Finger und meine rechte Ferse wollen nicht heilen. Weihnachten besuchte ich noch Le Arz, und letzten Sonntag war ich bei Chaton in Kervam. Sie waren wieder besonders nett, es tut gut, solche Nächstenliebe zu finden. Ich traf auch den alten Lefolch, der meinte, daß wir nicht mehr lange Prisonniers sein würden.

In der Messe wurde eine Erklärung des Pfarrers verlesen: Ein Tanzlehrer aus Ploemeur wurde ohne Namensangabe exkommuniziert. Die Tanzwut muß wohl hier im Lande ein besonderes Ausmaß erreicht haben, wie mir gesagt wurde. Nach dem letzten Kriege war es ähnlich. Wirtschaftlich gibt es auch einige Schwierigkeiten: Entwertung des Francs, Wiedereinführung der Brotkarte und Streik der Angestellten. Mit großem Interesse lese ich regelmäßig die nicht sehr gute Zeitung.

5.3.1946, Kerpape, 1. Fastensonntag.

Der Junge brachte mir Post und Tabak. Von zu Hause hatte ich 3 Karten, Hille schreibt, daß Frentzen aus Millich aus Lorient zurückgekehrt sei. Da mache ich mir dann doch Hoffnung, die man in den letzten Zeit fast aufgegeben hatte. Hier sollen im Mai Wahlen stattfinden, was wird dabei herauskommen? Angeblich wollen die Kommunisten die Prisonniers nicht mehr arbeiten lassen, sie sollen trotzdem noch hier bleiben. Dabei sind die Ernährungsschwierigkeiten hier so groß. Ich bekam ein Paar Schuhe, da ich nur noch Sandalen hatte. Es ist schon ein angenehmes Gefühl, nach 2 1/2 Monaten wieder Schuhe an den Füßen zu haben. Gestern hatte ich wieder Post, 3 Karten mit je 25 Worten. Alles mit guten Nachrichten. Adolf fährt nun nach Odenkirchen zum Gymnasium. In der Heimat scheinen also doch wieder einigermaßen geordnete Zustände zu sein.

7.4.1946, Kerpape

Wie mir der Vikar Morieu sagte, soll Clemens August Galen, der Kardinal, gestorben sein. Wie traurig, aber seinen Sieg hat er doch noch erlebt.

Hille schreibt, daß Hall und Neu-Hall wieder instand gesetzt wurden. Wenn man doch nur mit der Familie wieder zusammen sein könnte, aber das ist der Dauergedanke, der mich so oft traurig stimmt. Ich setze viel Hoffnung auf Hilles Bemühen, mich hier heraus zu bekommen, aber ob es glückt?

1.5.1946, Kerpape

Immer wieder muß ich an die Zeit vor 3 Jahren in Hangelar denken. In den Jahren hat man doch in mancher Beziehung viel gelernt, nicht zuletzt auf religiösem Gebiet und ist nun sehr viel besser gewappnet für alle Prüfungen. Das dritte Reich ist schon fast ein Jahr beendet, aber es mag noch eine Zeit vergehen, bis es alle eingesehen haben.

Die Konferenz der vier Außenminister ist ohne Ergebnis zu Ende gegangen, erst am 12.11 soll über den Frieden mit Deutschland verhandelt werden. Ich habe so wenig Mut und freue mich immer besonders auf den Sonntag, der die Stärkung für die Woche bringt.

3.7.1946, Kerpape

Von zu Hause wurde geschrieben, es stehe eine Bodenreform bevor. Was mag noch alles in der Heimat kommen?

1.9.1946, Kerpape

Leider habe ich meine Füße in den Holzschuhen durchgelaufen, die Wunden wollen nicht heilen, auch meine Verletzung am Bein. Bisher behandelte ich alles selber mit kalten Umschlägen, vielleicht werde ich doch noch mal in das Lager zum Krankenrevier gehen.

Die Arbeit war schon recht anstrengend, man aß an den langen Tischen im Cidrekeller, gesprochen wurde fast nur bretonisch, so daß ich fast nichts verstand. Ich konnte aber keinerlei Gehässigkeiten bemerken. Es gibt doch sehr viele anständig gesinnte Leute hier. Ich mache mir oft Gedanken über die Rückständigkeit hinsichtlich der Technik der hiesigen Landwirtschaft. Ist dies nicht vielleicht viel besser als die fortschrittslüsterne Wirtschaft in Deutschland, die uns in diese schreckliche Lage gebracht hat? Der Industriestaat stürzte uns in den Krieg und dann in das Chaos.

Von zu Hause wurde mir geschrieben, daß ein Gesuch der englischen Militärregierung in Düsseldorf für meine baldige Entlassung vor drei Wochen abgegangen sei, das gibt mit Hoffnung.

Jetzt wird das Land Nordrhein-Westfalen gebildet, diese Länder sollen wohl nun die Nachfolgestaaten sein, mit denen der Friede geschlossen werden kann. Es ist doch ein sehr wehmütiger Gedanke, das nach diesem "1000 jährigem Reich" Ostdeutschland wohl deutsch gewesen ist. Ein kleiner Trost wäre wohl ein Paneuropa ohne Rußland. Der Herrgott möge uns den Frieden nach diesen schweren Zeiten schenken. Die Friedenskonferenz der 21 Staaten war wohl nicht sehr erfolgreich.

15.9.1949, Kerpape

Am Freitagnachmittag kam der Lagerpfarrer, er brachte mir ein Gebetsbuch. Man hofft hier auf die Entlassung im Oktober, aber vielleicht ist es auch wieder die "2 Monatshoffnung", die dann doch wieder enttäuscht wird. Vielleicht bringt der Rosenkranzmonat die ersehnte Heimkehr. Der Rosenkranz ist mein treuer Begleiter während des Krieges und in der Gefangenschaft.

20.10.1946, Kerpape

Kumpel Hermann brachte mir eine amerikanische Drillichhose aus dem Lager mit. Dafür ist aber mein Hemd, das ich vor Jahren bei Peters in Köln kaufte, vollkommen hin. Im Lager traf ich einige Bekannte aus der Festungszeit. Von der Poststelle bekam ich einige neue deutsche Zeitungen, in einer stand das „Nürnberger Urteil", nun werden sie wohl auch vollstreckt sein. Noch kann man nicht sagen, daß die Welt nach Frieden aussieht.

2.12.1946, Kerpape

Nun kommt das vierte Weihnachten, an dem ich nicht zu Hause sein werde. Bisher hatte ich immer wieder Hoffnung auf eine baldige Heimkehr, da nun aber die Großen erst im März wieder zusammenkommen, wird es auch so schnell nicht weitergehen. Aber der Herrgott hat mich bisher nicht verlassen und ich vertraue weiterhin auf seine Hilfe.

26.1.1947, Kerpape

Die Woche verbrachte ich meist auf dem Hof, Vieh füttern und Holz hacken. Ich bekam wieder reichlich Post. Adolf hat das Abitur gemacht und hat eine Elevenstelle gefunden. Er bekam auch ein 200 cbm Motorrad, was gegen Holz eingetauscht wurde. Letztes scheint also noch vorhanden zu sein. Auch die Kulturen müßten gewachsen sein.

20.3.1947, Kerpape

Die Gerüchte über eine baldige Heimkehr gehen weiter, ich bin nun schon 1 Jahr und 5 Monate hier. Ich bekam reiche Post, u.a. ein Paket mit einem Schuh, der nächste soll dann folgen.

Mein Kumpel Oskar erzählte, daß am 21. ein Transport mit Dienstunfähigen und Älteren abgehen würde. Ich machte mir schon Hoffnungen hier abgeholt zu werden, da ich ja meine politischen Papiere habe und auch das Alter, 47 Jahre. Dieser Tage traf ich den Sohn Kerisiut aus Kerlir, der bei der französischen Besatzung in Baden-Baden ist. Er wird für mich einen Brief an Hille mit nach Ratheim nehmen und zum ersten Mal schrieb ich, daß ich hoffe, in diesem Jahr nach Hause zu kommen.

2.4.1947, Kerpape

Heute kam mit einem Paket der 2. Schuh an, er paßt bestens. Es heißt jetzt, daß der D.U. Transport am 8.4. gehen soll, dann noch mal einer Ende des Monats. Wäre ich doch dabei! Jedenfalls werde ich gleich nach Ostern in das Lager zurückgehen und dort aushalten, bis ich endlich an die Reihe komme.

11.4.1947, im Lager

Sonntag ging ich zum letzen Mal am Strand entlang zur Ostermesse in die Kirche. Nachmittags machte ich meinen Abschiedsbesuch bei den netten Chantons. Am Ostermontag, der hier kein Feiertag ist, habe ich meine Reisevorbereitungen gemacht und dann kommt der Abschiedsbesuch beim Rectuer in Larmor.

Am nächsten Morgen muß ich dann mein Certificat bei Morvan abholen, dann Abschied bei der Familie Cueguin, anschließend fährt mich der Chef in seinem Auto zum Depot in Lorient. Dort besucht mich der Arzt und trägt mich als letzten in die Liste ein. Nachmittags wurde ich dann noch mal von dem deutschen Arzt untersucht, der meinen Bogen mit einigen Buchstaben versieht, die für die Entlassung gültig sein sollen.

15.4.1947, Lager Kervegant

Dienstagabend, schon bin ich wieder eine Woche im Lager, heute bin ich in die Baracke 8 umgezogen. Die Baracken 7 und 8 sollen mit dem nächsten Transport in die Heimat.

20.4.1947, Kervegant

Am 17. wurde unerwartet der noch zu transportierende Haufen geteilt, ich war bei den Glücklichen, die Morgen oder Übermorgen reisen sollen. Am 18. kam ich zu dem Depot nach Lorient, dort erkundigte ich mich nach dem Kontostand, 1.093 ffr. beträgt er noch. Im Februar 1946 ist das letzte Geld der Gemeinde dort eingegangen. Der Vertrauensmann sagte mir, daß die Konten der Repatriierten endgültig abgeschlossen werden, das noch darauf stehende Geld fällt an den französischen Staat und wird für die zusätzliche Kost der Prisionnieres verwandt.

30.4.1947, Lager Rennes

Wir halten auf dem Güterbahnhof, gehen über die Gleise und nach 3/4 Stunde kommen wir in die Stadt. Dort sah ich nur sehr wenig Zerstörung, vor 3 Jahren war ich ja als Kurier des öfteren hier. Im Lager kommen wir in einen großen Saal, der eigentlich zu klein ist für die vielen Menschen. Ein recht unangenehmer Aufenthalt. Mit meinem Kumpel Wilhelm Burg aus der Nähe von Erkelenz drehe ich oft nachmittags und abends meine Runden durch das Lager.

11.5.1947, Rennes

Heute morgen ist der Transport in die englische Zone abgegangen und ich war nicht dabei, schlimmer noch, ich habe auch keine Aussicht, bei dem nächsten in einem Monat dabei zu sein. Hier erfuhr ich, daß ich bei einer Truppe gewesen sei, die für die Repatriierung gesperrt sei. Das soll die Ersatzkompanie in Trier gewesen sein, bei der ich zwei Wochen war. Ich suche bei dem netten Pater Hilfe und zeige ihm meine Papiere. Sie interessieren ihn sehr, besonders da er einige Zeit in Erkelenz war und den dortigen Kreisleiter Horst kannte. Aber auch der Pater kann nichts für mich erreichen.

21.10.1947, Rennes

Lange habe ich nichts mehr eingetragen, es war eine trostlose Zeit hier mit dauernden Vertröstungen. Aber jetzt soll endlich unser Transport abgehen. Mittwoch ist ein Abschiedsgottesdienst, der von dem französischen Militärpfarrer gehalten wird. Man hört auch, daß wir eventuell schon am Freitagabend verladen werden. So könnte ich Allerheiligen nach 3 1/2 Jahren zu Hause sein, eine lange, lange Zeit. Doch wenn man nach der Gefangenschaft nach Hause kommt und die Familie wohlbehalten vorfindet, muß man Gott danken.

In der Kirchenbücherei fand ich das Buch über Tante Maria Droste­Vischering, das ich jetzt lese.

31.10.1947, Munsterlager, Deutschland

Seit dem 28. sind wir nun schon hier und mal wieder weiß niemand, wann es weitergeht. Donnerstag mußten wir dann um 5 Uhr heraus. Der Zug, in den wir verladen wurden, fuhr pünktlich ab, für mich hieß es Abschied nehmen von der Bretagne. Immerhin war ich ein halbes Jahr in Rennes und nur einmal aus dem Drahtverhau heraus. Es freute mich, wieder die Gegend zu sehen, es war für mich mehr als der schönste Film.

Um Mitternacht waren wir in Chartres. Mit den Kumpels kam ich gut aus. In Forbach, der Grenzstation, stieg ein deutscher Schaffner ein und wollte französisches Geld, Feuersteine usw. einsammeln, die erste keineswegs erfreuliche Begegnung mit einem Deutschen.

Wir bleiben immer wieder stehen. Mir machten Eisenbahn-Personenwagen, an denen sich Menschen von außen festhalten um überhaupt mitzukommen, großen Eindruck. Endlich kommen wir in Munsterlager an. Wir werden nach Regierungsbezirken und Kreisen eingeteilt. Dann geht es in die Unterkunft.

2.11.1947, Munsterlager

Gestern nachmittag wurden wir endlich verlesen und morgen früh soll es nach Münster abgehen. Gestern war ich hier in der Stadt und schickte ein Telegramm nach Hall und Engelborg. Ich bin so froh, daß die Gefangenschaft nun bald zu Ende ist. Dieses Massendasein mit allen dazu gehörenden Erscheinungen ist schwer zu ertragen. Wir sind schon jetzt keine Gefangenen mehr, es gibt auch keine Wachen mehr, aber es fehlen noch die Líberations-Papiere.

Wir haben jeder 40,00 RM erhalten, mehr Wert haben die Schwarzgeldsorten, wie Zigaretten, Feuersteine etc. Für letztere kann man auch Essen in den Lokalen bekommen. Jedenfalls blüht der Schwarzhandel, Brot soll es im Tausch verhältnismäßig billig geben.

[Ende der Aufzeichnungen]


Mit Erlaubnis des Autors entnommen aus:
Bürger, J. (1980): Aus dem Kriegstagebuch des Baron Egon Spies von Büllesheim aus Ratheim. - in: Kreis Heinsberg (Hrsg.): Heimatkalender des Kreises Heinsberg, S. 155ff