Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden

Predigt zum 25jährigen Ortsjubiläum

von Klaus Jansen
 

Wissen Sie noch, wie es so war vor 25 Jahren? Wer war damals Bundeskanzler? Auf welchem Tabellenplatz stand die Gladbacher Borussia ? Mir kamen im Zusammenhang mit heute solche Fragen.

Erinnerungen!

Ich denke an einen Messdiener, ein kleines Männken, das – 11-12 Jahre alt - hier vorne auf den Stufen saß und heute als wohlbestallter Rechtsanwalt mit dickem Porsche durch Ratheim fährt.

Erinnerungen! Vielleicht lächelt man ein wenig beim Nachdenken über die eine oder andere Situation - oder man möchte das Ganze verdrängen.

Wahrscheinlich waren ja verschiedene von Ihnen dabei an diesem knackig-kalten 23. Januar 1983 unten am Markt. Ich denke an die Schützen und Reiter und Karnevalisten, alle in schöner Uniform, denke an die proppenvolle Kirche und eine ganze Reihe Priester, von denen jetzt auch schon ein Teil tot ist. Ich denke an die Riesenliste der Fürbitten - wer wollte damals nicht alles etwas vom neuen Pastor?

Francine Hutmacher las die Fürbitte für die Ausländer. Ich meine, wir haben sie ganz gut eingedeutscht. Trotz Akzent!  ;-)

Ich denke an die Pfarrkirche, die damals so ganz anders war: der leere Chor-Raum, das durch breite Bänke geschlossene Mittelschiff, die elektrische Orgel - um nur einiges zu nennen. Es ist lange her, und doch scheint mir diese Zeit schnell vergangen. Ich war gerne Pastor hier in Ratheim, ich bin es immer noch sehr gerne.

An einem solchen Tag denkt man auch daran, wie viele Menschen man hier beerdigt hat

(gleich in meinem ersten Amtsjahr z.B. Dr. Brüssermann und Dr. Kehren),

wie viele Kinder hier mit ihren Familien die Erstkommunion gefeiert haben

(im ersten Jahr wurde am zweiten Sonntag noch im HdB gefeiert),

wie viele Frauen und Männer sich hier das Ja-Wort gaben

(wie viele sind sich treu geblieben?).

Ich denke zurück, meist froh und lächelnd und sehe euch und viele andere junge Menschen, die im Laufe dieser Jahre geboren und getauft worden sind.

Und wir hier - als Gemeinde - haben in diesen Jahren immer wieder die Texte der Bibel gehört, haben sie gehört mit ihrem Zuspruch der Liebe Gottes einem jeden Menschen gegenüber, aber auch mit der Frage, ob wir einander diese Liebe und Nähe und Herzlichkeit erfahren lassen.

Die Lesungen, die die Kirche für heute vorsieht, scheinen mir wie geschaffen für einen solchen Anlass. Ich möchte alle drei durchgehen, weniger exegetisch korrekt, als vielmehr: welche Assoziationen mir beim Hören kamen.

"Das Volk, das im Dunkel lebt", heißt es da.

Aber im Dunkel lebte Ratheim nicht, bevor Pastor Jansen kam. Bernd Wolters und ich kamen in eine Pfarre, die Heinrich Pesch sehr gut geführt hatte. Er kann heute leider nicht hier sein. Ich kannte den Namen Ratheim aus der katechetischen Literatur, ohne mehr damit zu verbinden. In Hinsicht auf Kommunionvorbereitung in kleinen Gruppen war man hier Vorreiter im Bistum. Nein, das Feld war bestens bestellt.

"Das Volk sieht ein helles Licht." - "Licht, das uns erschien!" haben wir erst vor vier Wochen gesungen.

Das Licht Gottes, das uns unseren Weg erhellt, die Richtung zeigt auf den großen und geraden, aber auch auf den schwierigen Wegstrecken des Lebens. Jeder einzelne, aber auch wir gemeinsam als Pfarrgemeinde, als Volk Gottes unterwegs, wird von diesem Licht begleitet und - wenn wir wollen und einverstanden sind, geführt.

Mich spricht da sehr an, was Paulus im Philipper‑Brief schreibt:

"Macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig, damit ihr nichts aus Ehrgeiz und nichts aus Prahlerei tut. Sondern in Demut schätze einer den anderen höher als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen."

Mussten wir nicht die gesunde Selbstliebe erst lernen? Wurde uns als Kindern nicht ständig eingebläut, den anderen zu lieben, ihm gut zu sein. Nächstenliebe war das Leitwort. Dass die Voraussetzung dafür ein volles Ja zu mir selbst und zu meinem Leben ist, haben wir in diesen Jahren mehr und mehr gelernt. Gott sei Dank!

Oft spürte man uns diese Haltung des Miteinander an, das sage ich sehr dankbar. Aber wir waren nicht immer einmütig, es gab auch Spannungen, wenn auch sehr selten. Und damit bin ich beim 1. Korintherbrief. Es gab manchen Knatsch und Meinungsverschiedenheiten, die offener und mehr miteinander hätten ausgetragen werden sollen.
Da sind Wunden entstanden, Tränen geflossen. Da haben wir dem Namen Christi keine Ehre gemacht. Und wohl auch deshalb sagt uns Jesus:

"Kehr um, denn das Himmelreich ist nahe."

Glaubt an das Licht und seine Wärme und nehmt es in den Blick. Folgt seinem Weg, glaubt an das Evangelium und bringt es heute zum Leben. Wir sollen - wir dürfen - mittun, auch mit unseren Fehlern und unseren Schwächen.

Jesus bittet uns immer aufs Neue in seine Nachfolge, auf seinen Weg. Er will uns nicht nur zu sich holen, hier zum Gottesdienst, damit wir Licht und Leben und Trost und Hoffnung finden, er will uns auch aussenden, anderen das Licht zu bringen, die frohe Botschaft der grenzenlosen Liebe Gottes.

Erfüllt mit der Kraft aus der Höhe, mit dem Geist Gottes also, haben die Jünger, Jesus nach, sich auf den Weg gemacht, haben sie die Kirche auf den Weg gebracht, und das war im Blick auf 2000 Jahre beim besten Willen kein Triumphzug! Aber die Bibel hat das Format, uns zu zeigen, dass es da auch Typen gab wie Petrus und Judas. Ich finde, das ist tröstliche Botschaft auch für uns.

Jesus ruft uns heute auf seinen Weg, als junge Menschen, die wie man so sagt "das Leben vor sich" oder uns, die wir schon einige wenige Jahre mehr auf dem sog. Buckel haben. Uns traut er zu, seine Kirche zu sein, uns in Ratheim, uns in Kleingladbach, in Baal, in Viersen, wie in unzähligen anderen Gemeinden.

In meinem Verständnis der Aufgabe eines Pfarrers spielte das Wort "lassen" oder "zulassen" eine große Rolle. Ich freue mich über jeden und jede, die in unserer Pfarrgemeinde mittun möchte, mag sie oder er noch so schrullig sein. Jeder hat seine Möglichkeiten, seine Talente, die er in das Gesamt der Gemeinde einbringen kann. Wichtig aber ist der Respekt vor den anderen, die auch da sind - und mit gleichem Recht dabei sind.

Es geht nur gemeinsam, aber gemeinsam - im Miteinander - erreichen wir auch unsere Ziele. Den Rahmen für dieses unser
Miteinander stellt natürlich das Glaubensbekenntnis unserer Kirche dar, an dem wir uns alle messen müssen. Kirche Jesu Christi sind wir und wollen wir sein, und das unterscheidet uns. Kirche, und das ist mir sehr wichtig, die offen ist, die die Arme ausbreitet: Kommt, hier findet ihr Raum zu leben, Kirche, die Mut macht, Begeisterung weckt und sicher auch Grenzen setzt.

25 Jahre als Pastor in Ratheim.
Ich bin dankbar dafür - und froh, hier zu sein. Wir können dankbar auf so verschiedene Dinge zurückschauen, wir haben Gutes erreicht und sagen das ohne jede Überheblichkeit und ohne andere unter uns zu stellen. WIR habe ich gesagt und verstehe das auch so, wobei jeder eben auch seine eigenen Möglichkeiten hat.

Ich danke allen, die mich in meiner Aufgabe als Pastor in diesen Jahren begleitet, unterstützt oder auch kritisch korrigierend begleitet haben. Ich hoffe, wir können es noch einige Jahre weiter tun.

Schließen möchte ich mit einem Psalm von Hanns Dieter Hüsch, übrigens einem evangelischen Christen. Und da denke ich, darf ich mit Recht sagen, dass uns zu unserer evangelischen Partnergemeinde hier in Ratheim ein gutes selbstverständliches christliches Miteinander verbindet, das wir eigentlich in den gemeinsamen Gottesdiensten mehr zum Ausdruck bringen könnten.

Hüsch schreibt:

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit
Gott nahm in seine Hände meine Zeit.
Mein Fühlen Denken, Hören, Sagen,
Mein Triumphieren und Versagen
Das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich?
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht dass ich so furchtlos bin
An vielen dunklen Tagen?
Es kommt ein Geist in meinen Sinn,
Will mich durchs Leben tragen

Was macht dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält?
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
Wohl über alle Welt.