Sternsingen - alter Brauch mit neuem Sinn

von (Pastor Heinrich Pesch ?)
 

Als Anfang 1974 die STERNSINGER durch Ratheim zogen, in den Häusern sangen und um eine milde Gabe baten, lebte ein Brauch auf, der bis ins 15. Jahrhundert zurückgeht.

Damals entwickelte sich zunächst in Kreisen der Klosterschulen die Sitte, am Dreikönigstag singend und Spenden erbittend umherzuziehen. Aus dem Bereich des Schulwesens fand dieser Brauch bald Eingang in die Allgemeinheit, so daß z.B. auch Erwachsene umherzogen, vornehmlich arme Leute aus Berufen, die im Winter arbeitslos waren. Die Dreikönigssinger verkleideten sich als Caspar, Melchior und Balthasar, als jene legendenhaften Magier aus dem Morgenland, die im Volksglauben zu den drei heiligen Königen wurden. Seit den Türkenkriegen bekamen die Drei ein immer fürstlicheres Aussehen; und besonders der Mohrenkönig (Caspar) wurde eine beliebte Volksfigur - um schließlich als Kasperle ganz ins Komische abzugleiten.

Das wichtigste "Requisit" der STERNSINGER ist der Stern, der einst den Weisen, die den König der Juden suchten, den Weg gewiesen hatte. Dieser Stern und sein religionsgeschichtlicher Hintergrund versinnbildlichen die Herrschaft Christi über die Heidenwelt.
Aber mit diesem Stern ist noch eine andere Geschichte verknüpft - die des Kindermordes von Bethlehem. Diese Untat als Ausdruck unmenschlicher Herrschaft des Menschen über den Menschen stellt den Bezug zur Gegenwart her - heißt doch nun das Motto der STERNSINGER seit 1974: "Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch nicht Opfer des Menschen sei."

Wenn die Ratheimer Kinder bald wieder von Haus zu Haus ziehen und den Bewohnern Gottes Segen wünschen, appellieren sie gleichzeitig an die Solidarität mit den vielen Kindern und Jugendlichen in aller Welt, die unter menschenunwürdigen Verhältnissen "leben" müssen. Das letzte Dreikönigssingen hat in der Bundesrepublik 3.353.559,00 DM eingebracht. Damit konnten Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika gefördert werden, z.B. Schulen, Kindergärten, Lehrlingsheime, Tagesstätten u.ä. Für dieses Jahr ist die Unterstützung von über 30 Ein­richtungen und Programmen geplant.

Am Fest der Erscheinung des Herrn wird auch die Geburt Jesu gefeiert. Wenn dieses Ereignis für uns mehr sein soll als Gefühlsseligkeit, muß durch uns die Menschenfreundlichkeit Gottes sichtbar werden.

(aus dem Pfarrbrief 1974/4)



Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden