von SK (Sibylle Kurth?)
Aufregend und geheimnisvoll wie Heiligabend war der Samstag vor Muttertag. Was sich da hinter verschlossener Wohnzimmertür abspielte, konnte Mutter höchstens ahnen und sie beäugte die lehmigen Fußspuren im frisch geputzten Haus mit zwiespältigen Gefühlen.
Dann ist der große Tag da! Mutter kommt aus der Frühmesse. Die Seele wie frisch gebadet und voll guter Gedanken. Vor der Kirchtreppe warten schon ihre Drei - die beiden
Großen mit dem Baby im Kinderwagen. Welche Überraschung! Mutter schreitet lächelnd die Treppe herab.
Die Überraschung ist vollkommen, als sie in den Kinderwagen schaut. Da kräht ihr das Kleinste fröhlich entgegen - wunderbar herausgeputzt! Mutter läuft vor Schrecken rot an.
Über einem grasgrünen Jäckchen sieht sie das knallrote Flügelschürzchen aus Urgroßmutters Zeit, dazu ein Schlapphütchen von der Puppe, kornblumenblau!
Es verschlägt ihr die Sprache. Nur schnell weg, ehe die Leute kommen! Im Eiltempo schiebt Mutter den Kinderwagen heimwärts. Ihr Hut rutscht auf die Seite. Das Baby beginnt laut zu
plärren. Die beiden Großen rennen erschrocken mit.
Endlich hat sie sich wieder gefasst. Zu Hause wird sie feierlich ins Wohnzimmer geführt, von erwartungsvollen Kinderaugen gespannt beobachtet. -- Wie ist alles prächtig geschmückt! Ihr Stuhl, ihr Gedeck, der Türrahmen, alles ist mit viel frischem Grün und Ranken umkränzt. Sämtliche verfügbaren Vasen und Trinkgläser sind gefüllt mit Wiesenblumen. Vater murmelt was von Ziegenfutter. Es bringt ihm vorwurfsvolle Blicke ein.
Dann trägt Inge mit roten Wangen ein Gedichtchen vor. Hans schenkt der Mutter einen schön bemalten Brief, mit ungelenker Kinderhand geschrieben:
"Libe Mutter! Ich habe manschmal Unrecht getahn, aber ich will es nicht mer zuleide tun. Ich habe dich ser lib. Dein liber Hans."
Was kann es für eine Mutter Schöneres geben als soviel Liebe, die aus den Augen ihrer Kinder spricht. Möchte es doch immer so bleiben, so lieb, so herrlich und innig wie am Muttertag!
(aus dem Pfarrbrief 1980/2)
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