Anmerkungen zu Weihnachten

von Johannes Bürger
 

Mit den Zeiten ändert sich natürlich auch die äußere Feier der kirchlichen Feste, wobei ihre Inhalte bleiben. So ist es auch mit Weihnachten.

Früher - ich denke dabei an die Zeit vor dem 2. Weltkrieg - war in unserer Gegend für die Kinder der Nikolaustag der Tag der Geschenke. In den Wochen vorher kam der Nikolaus mit dem gefürchteten "Hans Muff" abends in viele Häuser, in denen Kinder waren. Nach Ermahnungen aus einem großen Buch, in dem die guten und weniger guten Vorkommnisse des letzten Jahres aufgezeichnet waren (Woher mag der "heilige Mann" die wohl gewußt haben?), gab es ein paar Süßigkeiten, Nüsse usw.

Am frühen Morgen des Nikolaustages stürzten die Kinder dann in das Wohnzimmer, um zu sehen, was sie an Spielsachen - keine Computer - bekommen hatten, dazu einen "Teller Lecker" mit Weckmann. (Am Abend vorher war der Teller aufgesetzt worden.)
Weihnachten fielen die Geschenke für die Kinder dann wesentlich spärlicher aus. Sie beschränkten sich hier ganz auf Plätzchen, Printen und ähnliche Leckereien. In den Kriegs- und Nachkriegszeiten war der Gabentisch überall ärmer.

Der Zeitpunkt der Bescherung unter dem Christbaum war in den Familien unterschiedlich: in einem Teil der Familien an Heiligabend nach Einbruch der Dämmerung, in anderen am Weihnachtsmorgen nach Rückkehr aus der Kirche.

In der Kirche wurde in der Zeit bis zur Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils - also bis etwa 1963 - Weihnachten anders als heute gefeiert. Eine Besonderheit war, daß zu Weihnachten - wie sonst nur Allerseelen - jeder Priester 3 Messen "las". In Ratheim war zu Weihnachten neben dem Pastor und dem Kaplan immer noch ein Ordensgeistlicher zur Aushilfe da. Das war dann so: Um 5 Uhr war die Christmette, die vor Pastor, assistiert von den zwei anderen Priestern, sehr feierlich - natürlich ganz in Latein - gefeiert wurde. Die Kirche war nur von Kerzen erleuchtet, die auf dem im Kirchenschiff hängenden Kronleuchter und auf den im Chorraum stehenden großen Kandelabern brannten. Nach einer Stunde war die Christmette beendet; der Pastor blieb dann am Altar und "las" 2 stille Messen. Alle Leute blieben in der Kirche, die beiden anderen Priester teilten während dieser Zeit die Kommunion aus.

Um 7 Uhr feierte der zweite Priester "seine" 3 Messen mit deutschen Liedern. Die Kirche war dann nicht mehr gefüllt. Um 9.30 Uhr begann der 3. Block der weihnachtlichen Messfeiern, deren 3. gegen 10.15 Uhr wieder als feierliches Hochamt gestaltet wurde. Manche Leute, die schon den ersten 3 Messen in der Frühe beigewohnt hatten, nahmen auch noch am Hochamt um 10.15 Uhr teil; für uns als Messdiener galt das sowieso. Und nachmittags ging es dann um 14.30 Uhr zur Andacht.

Frühstück und Mittagessen fielen an Weihnachten auch bei ärmeren Familien reichlicher als sonst aus. Mein Vater erzählte, bei manchen Ratheimer Familien seien vor dem 1. Weltkrieg Weihnachten und Kirmes die einzigen Tage im Jahr gewesen, an denen es Weißbrot zu essen gab.

In Ratheim gab es ein paar Pfarrangehörige, die an Weihnachten zu Hause eine besonders große und schöne Krippe aufbauten. So auch Herr Franz Mai in der heutigen Meurerstraße. Wir Buscher Kinder gingen regelmäßig am Nachmittag des 2. Weihnachtstages die Krippe bei Mai gucken, die das ganze Wohnzimmer ausfüllte. Eine besonders lebhafte Erinnerung habe ich noch daran, daß dazu auch die figürliche Darstellung der Hochzeit zu Kana gehörte. Da meine Eltern gerne sangen, wurden bei uns an den Weihnachtsabenden viele Weihnachtslieder gesungen.

Sicher werden andere Pfarrangehörige andere Erinnerungen an Weihnachten in ihren Familien haben. Gemeinsam war wohl, daß in der Mangelzeit im Krieg und in der Nachkriegszeit die Geschenke eine ganz untergeordnete Rolle spielten. War Weihnachten darum weniger schön und eindrucksvoll?

Vieles könnte man zu den Weihnachtsfesten in der Kriegszeit sagen: für viele Familien ohne Vater, Ehemann und Söhne, die an der Front waren, für alle Ratheimer Weihnachten 1944 in der Evakuierung in Westfalen, Thüringen oder Sachsen.
Ist es nicht gut, daß solche Feste wie Weihnachten auch in den Familien sehr unterschiedlich gefeiert werden, aber besonders herausgehobene Tage sind?
So war es z. B. in unserer jetzigen Familie von Anfang an so, daß der Vater an Heiligabend am frühen Nachmittag mit den Kindern - manchmal mit Schlitten - einen längeren Spaziergang durch die Rurbenden machte, während das Christkind zu Hause das Weihnachtszimmer vorbereitete.

Am Nachmittag des 1. Weihnachtstages gingen wir dann gemeinsam in die Pfarrkirche, um die Krippe zu gucken. Ist es schlimm, daß für die Kleinen der Nickneger am interessantesten war? Vieles hat sich um Weihnachten verändert, auch in der Kirche. Geblieben aber ist und wird bleiben: "Erschienen ist uns die Menschenfreundlichkeit unseres Gottes!"

(aus dem Pfarrbrief Weihnachten 1998)



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