Agnes Bürger

von Heinz-Willi Schorn
 

Vor mehr als einem Jahr, genau am 10. August 2004, starb Agnes Bürger kurz nach einem plötzlichen Schlaganfall im Alter von 85 Jahren.

Wer war diese Frau? Was bedeutete sie, was bedeutete ihr Leben für unsere Pfarrgemeinde?

Geboren im Hause Lenz, Ecke Mühlenstraße/Wallstraße, wurde bald danach ihr eigentliches Domizil jedoch das idyllische Häuschen in der Meurerstraße. Man hätte es auch „Haus der offenen Tür" nennen können. So viele Menschen suchten dort bei ihr Rat, fanden Trost und erfuhren Hilfe. Bereits im Alter von drei Jahren verlor sie ihre Mutter und einige Jahre später auch ihren Vater. Tante Christine, die unverheiratete Schwester ihres Vaters, nahm sich ihrer liebevoll an und war von nun an mehr als nur ihre Tante. Als später auch Agnes' Neffen Waisen wurden, sorgten sich Tante Christine und Agnes mit großer Liebe auch um sie. Besonders nach ihrer Pensionierung als Sozialarbeiterin beim Landschaftsverband Rheinland konnte Agnes hier etwas zurückgeben, was sie zuvor über viele Jahre selber an Liebe erfahren hatte.

Von klein auf hatte Agnes eine solch schwache Gesundheit, dass sie sehr oft den Tod vor Augen hatte. Die Ärzte hatten ihr keine allzu hohe Lebenserwartung prophezeit. Doch lernte sie schon früh, mit der Schwachheit ihres Körpers umzugehen. Und sie fand einen starken Verbündeten, jemanden, dem sie sich in ihren Schmerzen und in manchen schier ausweglosen Situationen anvertrauen konnte: Jesus in seiner Verlassenheit am Kreuz!
Besonders in der Spiritualität der Fokolarbewegung fand sie eine Bestätigung und Vertiefung ihres bisherigen Lebensweges. Deren Gründerin, Chiara Lubich, gab Agnes folgendes Wort mit auf den Weg: „Jeder Tag hat genug eigene Plage" (Mt 6,34). Dieser Satz war ihre Richtschnur und Hilfe, sich ganz auf das Leben in jedem Augenblick neu einzulassen.

Wer Agnes einmal begegnet ist, kann bestätigen, dass sie so lebte. Sie hatte immer Zeit für andere, konnte ihnen lange zuhören, ganz gleich, ob auf der Straße, beim Telefonieren, bei Krankenbesuchen oder auf welche Art und Weise auch immer. Und wer ihre Gastfreundschaft zu Hause erfahren durfte, für den gab es fast immer eine kleine kulinarische Überraschung, so eine Art Willkommensgruß. Kam ein Gläschen Wein dazu, dann wurde es besonders gemütlich.

Auf ihrem Gesicht lag meist ein Lächeln, das dem Gegenübersitzenden athmosphärisch signalisierte: Fühl dich wohl, ich bin ganz für dich da! Damit schaffte sie Beziehung. Sie konnte herzhaft lachen und so manche Anekdötchen erzählen. Sie liebte das Leben, liebte den anderen, so wie er war. Diese Zuneigung war ihre Antwort an den Schöpfergott, von dem sie sich – trotz ihrer körperlichen Gebrechen – geliebt fühlte. Dieses Geschenk wollte sie weitergeben in den Eigenschaften, mit denen er sie ausgestattet hatte: Demut und Großzügigkeit; nicht vorschnell – wenn überhaupt – über Menschen urteilen; das Gute im anderen sehen, nicht klagen über andere oder über sich selbst; Verantwortung übernehmen in der Pfarre, als Kommunionhelferin, als Katechetin. Sie war übrigens auch die erste Pfarrsekretärin von August Pütz, dem ersten Pastor Ratheims nach dem Kriege.

Auch der „Freundeskreis Pater Thelen" verdankt ihr viel. Hausgottesdienste in der Meurerstraße fanden so lange dort statt, wie es ihre Gesundheit erlaubte. Als Agnes Bürger schließlich ihr Wohnhaus nicht mehr selber bewirtschaften konnte, zog es sie nach Hückelhoven ins „betreute Wohnen", nahe St. Lambertus.

Der Besuch der hl. Messe war ihr wichtig. Hier suchte sie Jesus im Wort und in der Eucharistie. „Jesus im Wort" war ihr ein besonderes Anliegen. Schon in Ratheim hatte sie einen offenen Kreis „Wort des Lebens" gegründet. Sie war damit einer Anregung des verstorbenen Aachener Bischofs Klaus Hemmerle gefolgt, sich einmal monatlich über einen Satz des Evangeliums auszutauschen und es im Alltag versuchen zu leben. Und „Jesus in der Schwester oder im Bruder", den fand sie wieder in den vielen Begegnungen auch in ihrem neuen Heim in der Jülicher Straße mit alten und neuen Freundinnen und Freunden.

Was mich immer faszinierte, erzählte mir einmal ein kritischer Begleiter von „Aga", wie sie von vielen auch genannt wurde, war, dass sie in ihrem Alter auch von jungen Menschen geachtet und geliebt wurde. Und er bezog sich hier auf Besuche und Briefe von Kindern und Jugendlichen, die sie im Laufe ihres Lebens auf den Empfang der heiligen Kommunion oder das Sakrament der Firmung vorbereitet hat.
Im Alter offen bleiben für den Dialog mit den Jungen, ihnen zuhören können und sich in ihre Situation hineinversetzen!
Und umgekehrt haben wohl auch die jungen Leute gespürt, dass ihnen dort eine Frau gegenübersaß, die sie ernst nahm. Sich gegenseitig ernst nehmen, sich aufeinander einlassen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Agnes Bürger hat uns das vorgelebt.

Danke!  

(aus dem Pfarrbrief Ostern 2005)



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