Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden


Nelle Antönke, ein Dorforiginal aus Ratheim


Klein, schmächtig, mit geschwärzten Händen ein schmieriges Säckchen tragend, so sah Antönchen aus, wenn er sich auf „Geschäftsreise" befand und seine selbstfabrizierten Pottlotkügelchen den Hausfrauen zum Kauf anbot, die sie als gutes Ofenputzmittel sehr zu schätzen wussten. Kein Fremder konnte ahnen, das hinter diesem harmlos scheinenden Männlein ein boshafter Schalk und Satiriker verborgen war. In der Art, seinen Mit­menschen Ärger zu bereiten, war Anton nicht besonders wählerisch, und er nutzte jede sich bietende Gelegenheit aus, um ihnen einen bösen Streich zu spielen.

Von seinen Schelmenstreichen seien einige wiedergegeben:

Antönchen hatte im Geschäft Palenberg* in Ratheim seine bescheidenen Einkäufe ge­macht, blieb 2 Pfennig schuldig und ließ sich dann geraume Zeit nicht sehen. Es war in der Zeit, als der Pfennig noch gewertet wurde, und das Sprichwort noch Geltung hatte, „wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert." Der alte Palenberg, an Ordnung gewöhnt, schickte ein Kind mit einem kleinen Mahnzettel zu unserem Antönchen. Der Zettel war mit Peter Josef Palenberg, Kleinhändler in Ratheim unterzeichnet. Der kleine Schuldner fühlte sich über die Art der Mahnung, da sie schriftlich erfolgte, pikiert. Er nahm sogleich zwei Pfennige, begab sich zu dem oben erwähnten Geschäft und ging ungeachtet der der Be­dienung harrenden Kunden auf den Ladenbe­sitzer mit folgenden Worten zu:

„Godde Morge Peter Josef Palenberg, Kleinhändlerin Ratheim, he breng ech Och die twie Fenneng Peter Josef Palenberg, Kleinhänd­ler in Ratheim, die ech Och läste schölleg blieve bön ..., wofür Ihr mech gemahnt hat ... , adjüß ..."
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Es war Kirmes in Ratheim und Anton besuchte auch den Kirmesmarkt. Bei einer Wurfbude angelangt, in der mit Stoffbällen auf allerhand Figuren und Gegenstände geworfen wurde, schaute er dem Treiben einige Zeit zu, worauf er den Budenbesitzer frug, was die Bälle kosten würden.

„Drei Stück für ene Grosche", lautete die Antwort.

Der Schelm gab zehn Pfennig her, steckte die erhaltenen drei Bälle in seine Taschen und schickte sich zum Fortgehen an.

„Ihr mot met die Bäll werpe!" rief ihm der Budenbesitzer zu.
„Sue, werpe", sagte Antönke.

Zum Gaudium der Zuschauer warf er dann einen Ball über die Bude, den zweiten unter die Marktbesucher und den dritten dem Bu­denbesitzer ins Gesicht, worauf er schnell im Kirmestrubel untertauchte.

Entnommen aus:
LENNARTZ, L. (1952): Nelle Antönke, ein Dorforiginal aus Ratheim. - in: Kreis Erkelenz (Hrsg.): Heimatkalender der Erkelenzer Lande, S. 60

Nelle Tönke war von Beruf Fabrikant und bewohnte ein Schloss, Nelle Schlösske genannt - ein halb verfallenes, einstöckiges Fachwerkhaus. Töntke fabrizierte Pottlout, ein Ofenputzmittel. Dieses waren schwarze Kügelchen, etwas größer als Spielsteinchen; sie wurden in Wasser aufgelöst und auf den Ofen gepinselt. Nachdem man mit einer Bürste so lange darauf herumgebürstet hatte, dass man in Schweiß gebadet war, konnte es möglich sein, dass der Ofen glänzte - wenn nicht, dann wurde wieder von vorn angefangen.

Töntke war sehr klein von Gestalt und sein Gesicht und die Hände waren genauso schwarz wie sein Pottlout; seine Fabrikation vertrieb er in eigener Regie. Weil er so klein war hatte er es immer eilig, das heißt er ging nicht, sondern er lief.

So lief er auch eines Tages auf Millich zu mit einem Säckchen Pottlout auf dem Rücken. Zwischen Ratheim-Busch und Millich überholte er Trinke. Trinke war eine Quiesel - eine scheinheilige Jungfrau. Sie war in Ratheim in der hl. Messe gewesen, denn damals gehörte Millich noch zur Pfarre Ratheim.
Töntke fing mit Trinke ein Gespräch an und macht Trinke einen Heiratsantrag - Töntke war noch Junggeselle. Trinke schlug verschämt die Augen nieder und sagte:

„Ne Anton, wat denkst du von mech, so jet hät noch kenne für mech jesäht."

Darauf entgegnete der Schalk:

„Mech es dat jo och net gement, du kanns ever ömmer ens sage, mech hät all ens enne jefrogt"

und lief weiter auf Millich zu.

nach der Ratheimer Chronik von Peter Schlebusch


* Anmerkung von Helmut Winkens zur zeitlichen Einordnung:

Peter Josef Palenberg lebte von 1811-1896. Die Anekdoten spielen also wohl im 19. Jahrhundert.