Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925 in Ratheim

Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 1
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 2
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 3
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 4
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 5
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 6
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 7
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 8
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 9
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 10
Originaltext der Festschrift von 1925, Blatt 11

von Helmut Winkens

 

1925 war für Ratheim kein einfaches Jahr:

In diesem Kontext wurde in vielen rheinischen Städten und Gemeinden - so auch in Ratheim - zur Demonstration der "nationalen Gesinnung" eine Jahrtausendfeier abgehalten. Ihr Anlass ist heutzutage unklar - Chroniken erwähnen ein Friedensabkommen zwischen dem ost- und dem westfränkischen König im Jahre 921. Auf einem im Rhein verankerten Schiff sollen sie einen Vertrag besiegelt haben, als dessen Folge sich im Jahre 925 Lothringen mitsamt den Rheinlanden dem Ostfränkischen Reich (dem späteren "Deutschen Reich") angeschlossen hat.

Auch Ratheim hat zu diesem Anlass einen historischen Zug "auf die Beine gestellt" und ihn dem Herzog Johann Wilhelm (1658-1716) gewidmet.


Die folgenden Texte habe ich übertragen aus aus einer Festschrift von 1925, die sich im Besitz von Willi Winkens (Orsbeck) befindet. Für Ratheimer sehr interessant sind auch die vielen darin enthaltenen Inserate, die die Reichhaltigkeit des Ratheimer Geschäftslebens zur damaligen Zeit dokumentieren.

Aufbau_des_historischen_Zuges / Zugordnung / Schlußwort


Aufbau des historischen Zuges

von Hauptlehrer Nobis, Millich
 

a) Heimatgeschichte

In unmittelbarer Nähe des Ortes Ratheim liegt das Rittergut Haus Hall. Als sein Besitzer wird um das Jahr 1243 Gottfried von Hallen und in den Jahren 1262-1269 Wilhelmus de Halla genannt. Nach mehrmaligem Herrenwechsel kam das Gut im Jahre 1510 an die Familie von Olmissen, genannt Mülstroe. 1578 wurde es unter Heinrich und Gotthart von Olmissen geteilt. Jener erhielt Haus Hall und dieser das Gut an der Mahr. Die Herren von Olmissen waren stets patroni eclesiae, Schutzherren der Kirche von Ratheim, und hatten daher unter anderem das jus sepulturae, das Begräbnisrecht auf dem Chore der Kirche. Trotzdem Mahrhof ein Halbspliß vom Rittergute Hall war, und Hans Wilhelm von Olmissen auf Mahrhof in der Gruft der Kirche zu Ratheim die letzte Ruhestätte gefunden hatte, machten im Jahre 1697 Gerhard Kaspar von Olmissen, Freiherr zur Hallen, und Pastor Wilms aus Ratheim der erkrankten Witwe des Hans Wilhelm von Mahrhof das Erbbegräbnis streitig.

Als dieser heftige und langwierige Rechtsstreit entbrannte, war Herrscher im Jülicher Lande, zu dem auch Ratheim gehörte, Herzog Johann Wilhelm, der beliebteste und volkstümlichste unter den Fürsten Jülichs. Nachdem er drei Jahre hindurch die Klagen und Gegenklagen angehört hatte, fällte Herzog Johann Wilhelm am 25. Februar 1700 das Urteil, das zu Ungunsten der Witwe von Olmissen zur Mahr, geb. Agnes von Beeck, ausfiel.

Die Witwe liegt in der Kirche zu Hückelhoven beerdigt. So hat der Herzog Johann Wilhelm tief und entscheidend in Ratheimer Angelegenheiten eingegriffen. Und wie er am 31. August 1715 mit seiner Gemahlin zur Verehrung des heiligen Schuhes in Ophoven weilte, so ist er auch wohl Gast des Herrn von Hall gewesen.

b) Herzog Johann Wilhelm

Herzog Johann Wilhelm war geboren als Sohn des Kurfürsten Philipp Wilhelm 1658 zu Düsseldorf. In seinem Jünglingsalter ward er wegen seiner Tapferkeit und Gewandtheit bald ein fertiger Ritter. Durch große Reisen erwarb er sich Weitblick und Wissen. Schon 1679 erhielt er die Regentschaft über Jülich und Berg und nach dem Tode seines Vaters 1690 auch die Herrschaft  über das Kurfürstentum von der Pfalz. Am 8. Juni 1716 starb er im Schlosse zu Düsseldorf und fand seine letzte Ruhestätte in der Fürstengruft der Hofkirche. Auf seinem Grabe steht zu lesen: "Er war ein wahrhaft ausgezeichneter Fürst, den alle recht liebten, verehrten, beweinten und nur schwer vermissen". Sein Reiterstandbild in Düsseldorf ist ein Beweis der Dankbarkeit seiner Untertanen.


Rühmenswert sind  Herzog Johann Wilhelms  leutseliges Wesen und  treudeutsche Gesinnung. Seine Leutseligkeit zeigte er dadurch, daß er sich gerne mit Bürgern und Bauern seines Landes in der Mundart unterhielt, daß er unbekannt bei Gelegenheit an den  fröhlichen Schützenfesten des Volkes teilnahm, wo er oft mit sicherer Hand und scharfem Auge die ersten Preise und die Königswürde errang, und daß er jedem Bittsteller und Kläger ein geneigtes Ohr lieh, wie der vorgenannte Ratheimer Rechtsstreit beweist. Diese Volkstümlichkeit hat dem Herzog vom niederrheinischen Volksmund den traulichen Namen "Jan Wellem" eingebracht.

Seine treudeutsche Gesinnung hat Herzog Johann Wilhelm durch Tat wie Wort bekundet. Im spanischen Erbfolgekriege versuchte der abtrünnige Kurfürst Johann Clemens von Köln, der sich dem deutschen Kaiser entgegen auf Frankreichs Seite stellte, auch Johann Wilhelm dem Reiche zu entfremden. Die deutsche Antwort voll Treue und Furchtlosigkeit, die er damals dem Abtrünnigen gab und die auch uns am Tage des Einzugs Johann Wilhelms in Ratheim wieder deutlich im Ohr klingen soll, lautete:

"Die giftige Schlange im heißen Afrika ist nicht so verächtlich als ein deutscher Mann, der in Gefahr nicht treu zum Reiche steht."


Spitze des Zuges auf der Mühlenstraße
Spitze des Zuges auf der Mühlenstraße
(Blick vom damaligen Schulhaus in
Richtung Mühle: links der Aufgang zur
Kirche, dahinter Haus Palenberg/Heinrichs)


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Bildquelle: Photo im Besitz
von Hans Sonnenschein  

Zugordnung

Gruppe I:

6 Herolde

Winter Peter, Wallraven Heinrich, Busch Peter, Rütten Josef, Meyers Hubert, Rütten Wilhelm.


Gruppe II:

20 Musiker

Limburg Wilhelm, Schafhausen Anton, Heitzer Heinrich, Krüger Karl, Schmitz Josef, Limburg Mathias, Minkenberg Gottfried, Bösch Johann, Knorr Hubert, Trebbels Heinrich, Pfeiffer Franz, Trebbels Hermann, Heinrichs Gerhard, Artz Josef, Jansen Franz, Peters Albert, Bertrams Heinrich, Thönnissen Bernhard, Thönnissen Heinrich, Jansen Heinrich.


Gruppe III:

3 Ritter
Winand von Hochkirchen
(Amtmann)
Weith Franz jr.
Ludwig von Olmissen
(Herr von Haus Hall)
Küppers Karl
Richard von Mülstroe
(Herr von Mahrhof)
Adams Franz sen.
20 verschiedenfarbige Knappen

Weidmann Heinrich, Meurer Johann, Kamper Wilhelm, Maas Walter, Jansen Gerhard, Joachims Peter, Rütten Johann, Winkens Wilhelm, Lentzen Leo, Schafhausen Josef, Rütten Johann, Jakobs Peter, Schmitz Josef, Oellers Johann, Adams Gerhard, Hermanns Leo, Adams Jakob, Engels Heinrich, Moll Hubert, Moll Heinrich.

30 Freie, Unfreie und Hörige

Rütten Johann, Krings Heinrich, Cals Peter, Cals Johann, Jansen Heinrich, Krings Franz, Rütten Gerhard, Kranz Anton, Krings Johann, Landwehr Josef, Schmitz Heinrich, Jakobs Emil, Jakobs Gerhard, Winkens Friedrich, Zumfeld Gottfried, Meurer Wilhelm, Schafhausen Wilhelm, Wilms Johann, Wilms Heinrich, Theißen Wilhelm, Rütten Wilhelm, Zumbruch Heinrich, Jansen Hubert, Jansen Anton, Dreßen Heinrich, Bürger Josef, Weith Heinrich, Minkenberg Jakob, Schieren Johann, Schafhausen Leo.

4 Burgknechte

Darius Josef, Hennen Hubert, Thönnissen Josef, Moll Josef.


Festzug auf dem Marktplatz
Aufmarsch des Zuges auf dem
Ratheimer Marktplatz 1925
(hinten links der Anfang der
Vennstraße, hinten rechts
Rathaus / Volksschule)


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Bildquelle: Photo im Besitz
von Hans Sonnenschein  

Gruppe IV:

Herzog Johann Wilhelm

Dr. Gerhard Beckers

6 Vasallen

Königs Gustav, Kreuder Heinrich, Frohnhofen Stephan, Königs Gerhard, Cohnen Heinrich, Königs Gustav.

4 Armbrustschützen

Elbern Bernhard, Hähnel Hermann, Banken Heinrich, Sonnenschein Johann.

5 Burgknechte

Plum Albert, Ophetfeld Jakob, Küppers Edmund, Rochow Josef, Vieten Hubert.

30 Hörige, Zünfte und Gilden

Haken Konrad, Darius Franz, Hütz Josef, Kamper Heinrich, Brückers Joh. jr., Rauschen Ludwig, Hermanns Josef, Hermanns Heinrich, Düsterwald Heinrich, Kamper Heinrich sen., Orth Mar, Winkens Johann, Strömer Gerhard, Heinrichs Wilhelm, Bürger Johann, Düsterwald Wilhelm, Winter Mathias, Jansen Heinrich, Düsterwald Josef, Jansen Wilhelm, Boeken Reiner, Storms Josef, Heinrichs Franz, Wasch Gottfried, Boeken Ferdinand, Düsterwald Josef, Peters Jakob, Peters Johann, Brückers Johann sen., Bürger Fritz.


Gruppe V:

3 Ritter
Adam von Beeck
(Herr zu Künkel)
Reiners Wilhelm
Graf von Hompesch
zu Rurich
Königs Heinrich
Graf von Palant
(Herr zu Breitenbend)
Frohnhofen Wilhelm
12 Troßknechte

Van den Bergh Karl, Heckmann Theodor, Schiffers Josef, Schuhwirt Leo, Königs Johann, Mäurer Wilhelm, Beckers Gerhard, Esser Peter, Goertz Hubert, Maasen Theodor, Gillissen Jakob.

6 Lanzenträger

Sommer Johann, Warringer Klaus, Feiter Jakob, Theissen Gerhard, Laumen Josef, Düsterwald Johann.

20 Hörige

Minkenberg Johann, Heinrichs Johann, Peters Leonhard, Göres Heinrich, Jeurissen Josef, Minkenberg Jakob, Gobbers Peter, Esser Franz, Gerhards Karl, Peters Johann, Jansen Gerhard, Jansen Peter, Krüger Bernhard, Jakobs Fritz, Küppers Leonhard, Sieben Franz, Joachims Heinrich, Kamper Mar, Brendgens Gerhard, Gerks Paul.


Schlußwort!

von Bürgermeister Lux

Ankündigung des Festzuges
Ankündigung des Zuges

(pdf, 854kB)

Rheinische Jahrtausendfeier! ... auch in Ratheim? - Diese Worte fielen vor 3 Wochen, zuerst zaghaft im engen Kreise; ängstlich sah einer den anderen ob dieses Wagemutes an. Dann aber fanden sich einige ernste Männer zusammen, ergriffen mit Mut und Entschlossenheit den Gedanken, trugen ihn in Versammlungen hinein und siehe, helle Begeisterung überall! Jung und alt, arm und reich, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Landwirte und Gewerbetreibende, sie alle schlossen sich zusammen und sicherten so unsere heimatlich-deutsche Feier.

Nicht Übermut oder Vergnügungssucht führte uns zusammen, auch nicht Trauer um Vergangenes, sondern einzig und allein die Liebe zu unserer Heimat, die Liebe zur Scholle unserer Väter, die Liebe zu unserem herrlichen Rheinland! Konnte da auch nur einer zurückbleiben?

Und in der Tat! Noch nie hat die ganze Gemeinde eine solche Geschlossenheit, ein solch festes Zusammenhalten an den Tag gelegt. Nichts trennte uns, ... von Ratheim bis Millich - Schaufenberg, von Busch bis Vogelsang, von Gendorf bis Krickelberg - Garsbeck - Stillewasser, überall nur ein Wunsch: "mit dabei sein zu können". An dieser Stelle sei daher allen für ihre persönliche oder finanzielle Unterstützung herzlich gedankt.

Möge im Innern unserer Gemeinde und darüber hinaus aber diese Einigkeit erhalten bleiben, möge sich nach außen hin zugesellen Recht und Freiheit, damit wahr werde das Wort unserer Nationalhymne:

Einigkeit und Recht und Freiheit!

 


Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden