Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden


Hötze Hermann

von Johannes Bürger (1980)
 

Man sagt häufig, die Originale stürben aus, vergisst aber leicht bei der Erinnerung an verstorbene Mitbürger, die als Originale galten, dass diese das meistens erst im Alter waren. Beim Men­schen werden mit zunehmendem Alter die Kon­turen schärfer; seine liebenswerten Seiten und Eigenschaften vertiefen sich; seine negativen Eigenschaften: Härte, Klatsch- oder Kritisier-sucht, treten stärker hervor. Das gilt oftmals als Originalität. Deshalb glaube ich, dass auch heute noch Originale unter uns leben, die aber erst im Alter hervortreten. Dabei soll nicht übersehen werden, dass die Originalität eines Menschen früher eher bemerkt wurde, weil die Leute ohne Radio, Fernsehen und Illustrierte Abend für Abend in der Nachbarschaft „klengern" gingen und dabei ihre phantasievolle Originalität ent­wickeln konnten.

Ein Ratheimer Original war Hermann Hütz (1871-1953). Zeit seines Lebens wohnte er auf dem kleinen Hügel am Ende der Bergstraße. Sein Familienname lautete nach den Standesamtsregistern „Heutz", was in Ratheim aber niemand wusste. „Hötze Hermann", wie er in Ratheim genannt wurde, war lange bei „Glanzstoff" in Oberbruch beschäftigt gewesen. Dort verband ihn ein besonderes Verhältnis zum ersten langjährigen Direktor Boos. Darüber wurde in Ratheim viel Amüsantes erzählt. So sprach Hermann seinen Direktor stets an: „Boos, Jong, hür ens!"

Nun einige „Stöckses" von Hötze Hermann, die in Ratheim erzählt werden:

Die Lebensmittelkarten

Im alten Ratheimer Rathaus war 1946 die Gemeindeverwaltung Hückelhoven untergebracht. Die damalige „Ernährungsstelle" leitete Wil­helm Jansen (1887-1948) von der Kirchstraße. Im Volksmund „Schötte Will" genannt, war er ein angesehener, treukatholischer Mann und Nazi­gegner; nach dem Krieg „ein Mann der ersten Stunde".
Dieser gab im Frühjahr 1946 die Lebensmittelkarten im Erdgeschoß aus. Der Rathausflur war voller Menschen, meistens Frauen, die manch­mal lange Wartezeiten hinnehmen mussten.
Auf einmal kam „Hötze Hermann", lehnte sein Fahrrad an die Rathausmauer, begrüßte die vor dem Treppenaufgang zum Hauptportal in Schlange stehenden Frauen mit:

„Morje Kenger",

und drängte sich bedächtig vor, weil ihm das Anstehen nicht behagte. Bald stand er im Flur und schob sich langsam aber sicher durch die Menge nach vorn. Die ordnungsgemäß Wartenden murrten zwar, aber das beirrte Hermann nicht!

„Ech bönn doch ene aue Minsch".

Es hatte kaum 10 Minuten gedauert, da stand Hermann schon vor dem Ausgabetisch. Da wurden aber doch einige Frauen böse und riefen von hinten:

„Herr Jansen, dä Hötz es grad iesch komme an hät sech flott vürgedrängt. Hat Ihr dat da net gesiehn?"

Der so Angesprochene kannte Hötze Herman zwar von Jugend auf, konnte dessen Verhalten aber natürlich nicht billigen und sagte mit erhobener Stimme:

„Hermann, dat jeht jo nu och net. Du moß dech jenau sue anstelle, wie die angere Lü och."

Daraufhin brüllte Hermann durch den Flur:

„Wet'se watt, Will, Du kanst mech ens ..."

Resigniert händigte Jansen Hötze Hermann die Lebensmittelkarten aus, und befriedigt ging dieser durch die Menge zurück, die versöhnt schmunzelte.

Schwester Sakrata

Im Klösterchen am Kirchberg lebten bis 1961 seit hundert Jahren jeweils vier Klosterschwestern aus dem Orden der „Armen Dienstmägde Jesu Christi" von Dernbach. Diese widmeten sich der Pflege der Kranken und Sterbenden in Ratheim und unterhielten eine Nähschule.

Die populärste der Nonnen war damals die Krankenschwester Sakrata, die personifizierte Nächstenliebe. Hötze Hermann hatte immer schon ein unbefangenes Verhältnis zu Respektspersonen geistlicher und weltlicher Art. Als er eines morgens mit dem Fahrrad am Kloster vorbei kam, fegte Schwester Sakrata gerade die Straße. Da rief Hermann laut über die Straße:

„Morje Schwester, jeht et Dech all jot, Kenk! Do hant se Dech an der fröe Morje evel al ant werke krieje."

Schwester Sakrata konnte nur:

„Guten Morgen, Herr Hütz", zurückrufen.

Pastor Pütz

Im April 1953 wurde in Ratheim bekannt, der seit 1949 hier tätige Kaplan Johannes Heidenthal sei zum Pfarrer von Hilfarth ernannt worden, wo er übrigens heute noch tätig ist. Dessen Vorgesetzter, Pfarrer August Pütz (1904-1968), war ein eifriger und gradliniger Priester. Aus verschiedenen Gründen kam es häufig zu Spannungen zwischen ihm und seiner Gemeinde. Darüber wurde natürlich in Ratheim viel diskutiert.

Als nun die Versetzung des Kaplans näher kam, ging „Hötze Hermann", auf sein Fahrrad gestützt, den Kirchberg hoch und traf dort Pastor Pütz. Hermann, der genau wusste, wen er vor sich hatte, grüßte:

„Morje Kaploan".
Pastor Pütz: „Morgen, Herr Hütz";
Hermann: „Kaploan, dat es evel all de Lü ärg, daß se Dech no et Helveth versatt hant. Wür de Pötz mar fottgejange. Dat heue de Lüe all liever jehatt. Also Tschüß, Kaploan, lot et dech joot joan!"
„Tschüß Herr Hütz!", reagierte leutselig der Pastor.
 


Mit Erlaubnis des Autors entnommen aus:
Bürger, J. (1980): „Hötze Hermann” aus Ratheim. - in: Kreis Heinsberg (Hrsg.): Heimatkalender des Kreises Heinsberg, S. 143ff


Hötze Hermann

aus der Ratheimer Chronik von Peter Schlebusch

Hötze Hermann aß gern Hundefleisch und ist dabei alt geworden, ungefähr 90 Jahre. Er war in Oberbruch bei Glanzstoff in der Bauabteilung beschäftigt. Eines Tages kam der Direktor Dr. Boos um zu besichtigen, was die Bauabteilung am bauen war.

Hermann zu Dr. Boos: "Boos, du Spetzbov, heste ken Box för mech?" und tatsächlich erhielt Hermann eine neue Hose.