Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden


Die Glocken

von Peter Knippertz (mit Ergänzungen von Helmut Winkens)

(Die folgenden Ausführungen folgen Pastor Drouven: Die Kirche und die Gemeinde zu Ratheim; Rektor Weingartz: Schulchronik; Maria Winkens: Die Glocken.)

 

Glocke "Johannes"
Glocke Johannes 2007
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Glocke "Michael"
Glocke Michael 2007
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Glocke "Katharina"
Glocke Katharina 2007
600 x 800 (69kB)

Bilder: Helmut Winkens

Im Jahre 1441 wurde für Ratheim die erste Glocke gegossen, es war die „campana bon(n)alis", die Zehntglocke. Diese zerbrach am 8. März 1768 beim Beläuten des Wassenberger Schöffen Franz Knorr, der spät abends von einem Steg in den Flutgraben beim Haus Lengersdorf 1) in Busch gefallen war. Alte Buscher wissen sich noch zu erinnern, daß beim Neubau des Hauses von Dr. Beckers ein Gedenkkreuz gefunden wurde mit der Aufschrift „Franz Knorr, Lehensträger zu Kobbenthal".

Nach 48jährigem Streit mit den Zehntherren starb 1769 Pastor Beeck. Während einer Visitation unter seinem Nachfolger Goswin Sauer wurde 1771 zu Protokoll genommen, dass seit drei Jahren die Bonnalglocke nicht mehr geläutet hätte. Die Besitzer des großen Zehnts (von Führt, von Holthausen und von Kannengießen) wurden ermahnt, im Laufe des Sommers eine neue Glocke zu beschaffen, andernfalls werde Beschwerde beim Kurfürsten geführt.

Mit der großen Glocke sollten auch die mittlere und die kleine Gemeindeglocke umgegossen werden; darüber wurde am 10. November 1771 mit dem Jülich-Bergischen Glockengießer Christian Wilhelm Voigt aus Dremmen ein Vertrag geschlossen. — Schon im Dezember desselben Jahres waren die Glocken gegossen. Die Unkosten wurden durch Kollekten gedeckt und durch Spenden u. a. des Reichsgrafen von Spee, der Freifrau von Hompesch zu Rurig als Herrin des Latengerichtes in Busch, des Freiherren von Mülstroe, des Freiherren von Horst und des Hofrates Pakenius.

Ratheim, Glocken 1949
Zwei Ratheimer Glocken
1949


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Bildquelle: Photo im Besitz
von Paul Knippertz  

Das jetzige Geläut verdankt die Pfarrgemeinde Pastor Michael Thoma, der von 1900 bis 1912 Pfarrer in Ratheim war. Auf seine Initiative hin wurden 14 000 Mark für vier neue Glocken und den Glockenstuhl gesammelt. Am Tag vor dem Patrozinium des Jahres 1905 (am 23. Juni) wurden die alten Glocken vom Turm heruntergeholt; eine von ihnen tat noch einige Tage, aufgehängt an einer Linde vor dem Portal, ihre Dienste. Zuletzt geleitete sie mit ihrem Geläut den langjährigen Kuhhirten von Millich, Gottfried Minkenberg, zu Grabe.
Die neuen Glocken wurden von der Glockengießerei Otto in Hemelingen bei Bremen geliefert. 1905 wurden sie in Erkelenz auf festlich geschmückten Wagen abgeholt, weil es damals nach Ratheim noch keine Bahnverbindung gab. Am 1. Juli 1905 wurden die Glocken feierlich geweiht und auf die Namen Johannes getauft, zu Ehren des Pfarrpatrons, Maria, zu Ehren der Gottesmutter, Michael, zum Andenken an Pastor Thoma, und Katharina, zu Ehren der Heiligen, der in früheren Jahren der Kreuzaltar in der Kirche geweiht und deren Namen mit einer Stiftung verbunden war.

Die Glocken sind auf die Töne „des, es, f, ges" gestimmt. Ihr schöner Klang veranlasste den Domkapellmeister Cohnen aus Köln, der die Glockenweihe vornahm, zu dem in der Ratheimer Schulchronik festgehaltenen Lob: „Ein solch harmonisch, melodisch vollklingendes Geläut von dem Glockengießer Otto in Hemelingen habe ich noch nicht abgenommen."

Als während des ersten Weltkrieges die meisten Glocken beschlagnahmt und zu kriegerischen Zwecken umgeschmolzen wurden, rettete dieses Lob die Ratheimer Glocken: Pastor Offermanns hatte sich dieses Zeugnis nämlich von Cohnen in Köln bestätigen lassen, wodurch das Ratheimer Geläut (mit 29 anderen im Rheinland) von der Beschlagnahme befreit wurde. Als 1917/18 diese Glocken aufs neue beschlagnahmt wurden, wurden sie (diesmal mit noch zwei anderen) Geläuten wieder freigegeben; ein Beweis dafür, daß die Ratheimer eines der schönsten Geläute des Rheinlandes besitzen. Allerdings nahmen die Machthaber des Dritten Reiches auf diese Schönheit keine Rücksicht: ohne Vorankündigung holten fremde Arbeiter 1942/43 die Glocken Johannes, Maria und Michael aus dem Turm und transportierten sie ab.

Ratheim, Glocken 1949_Marktplatz
Rückkehr der Glocken
Marktplatz 1949

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Nach den Wirren des Krieges ist es offensichtlich der ehemaligen Ratheimer Lehrerin Fräulein Haselier gelungen, den Verbleib der Glocken ausfindig zu machen. Sie teilte dies der damaligen Kreistagsabgeordneten (CDU) Frau Maria Winkens von der Vennstraße mit, der es nach vielen Mühen gelang, die Glocken aus Hettstett im Südharz (damals SBZ) „nach Hause" zu holen.
Zur Herbstkirmes 1949 waren die Glocken dann endlich wieder in Ratheim, wo ihnen von der Bevölkerung ein begeisterter Empfang bereitet wurde.

 

1) Anm. Helmut Winkens: der spätere "Buscherhof", Ecke Heerstr./Buscherstr. (bis 1969)


Entnommen aus: LATOUR, Hans (Hrsg.) (1973): Beiträge zur Geschichte der Pfarrgemeinde Ratheim. - Eigendruck vom 16.12.1973 anlässlich der Erweiterung der Pfarrkirche.

 

Ergänzungen von Helmut Winkens

nach den mündlichen Überlieferungen der Familie Winkens sowie einem Artikel der Erkelenzer Volkszeitung von 1972, basierend auf den Aussagen von Maria Winkens

Meine Großmutter Maria Winkens geb. Münstermann widmete sich nach dem zweiten Weltkrieg auf Bitte der lokalen CDU der Kommunalpolitik. Da sie das Vertrauen sowohl der Bevölkerung als auch der Besatzungs-Behörden besaß, war sie maßgebend für die Ausstellung von Leumundszeugnissen für ehrbare Bürger verantwortlich (darunter überwiegend Lehrpersonen, die dadurch wieder in ihren Beruf zurückkamen).

In der Zeit von 1946 bis 1948 gehörte sie dem Gemeinderat der damaligen Gemeinde Hückelhoven an, außerdem war sie bis 1956 im Erkelenzer Kreistag tätig. Ihr ist es zu verdanken, dass 16 Kirchenglocken aus unserer Region, welche Ende 1944 abgeholt worden waren und für Rüstungszwecke eingeschmolzen werden sollten, wieder in die Heimat zurückkehren konnten.

Während einer Kreistagssitzung in Erkelenz hörte sie (nach ihrer Schilderung) eine Glocke ertönen - wie ein Funke ist dann das Vorhaben in ihr wach geworden: die Heimat muss wieder ihre Glocken haben! Durch die Angaben von Fräulein Haselier konnte sie vermuten, wohin man die Glocken geschafft hatte und schrieb aufs Geradewohl an den Oberbürgermeister von Hettstedt bei Jena. Nach einigen Wochen kam die Antwort, dass die Glocken in Apolda bei Halle in einer Buntmetallfabrik zum Einschmelzen stünden - für die Rückführung sei allerdings die Zustimmung der russischen Kommandantur in Halle erforderlich.

Ratheim, Glocken 1949_Vennstr.
Rückkehr der Glocken
Vennstraße 1949

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Bildquelle: Photo im Besitz
von Helmut Winkens

Maria Winkens wandte sich mit ihrer Bitte mehrfach an diese Kommandantur und erhielt endlich die Erlaubnis, die Glocken abholen zu lassen.
Im August 1949 kamen 16 Glocken wieder in die Heimat; zunächst per Bahn bis zum Bahnhof der Zeche Sophia-Jacoba, von dort wurden sie dann in ihre Heimatpfarren weitergeleitet.

Ratheim erhielt seine Glocken "Johannes", "Maria" und "Michael" zurück. Die übrigen 13 Glocken kamen nach Erkelenz, Gerderhahn, Golkrath, Granterath, Kipshoven, Kückhoven, Niederkrüchten, Östrich, Rath-Anhoven und Üvekoven.

In allen Gemeinden herrschte große Freude und Dankbarkeit.