Am 18.2.1826 [1816?] erfolgte die erste Eintragung in den 1. Band der Chronik von Ratheim durch Bürgermeister Kaspar Hensen, den beigeordneten Bürgermeister Konrad Knorr und
die Mitglieder des Gemeinderates Matthias Weitz, Johann Andreas Loyen, Lorenz Frantzen, Johannes Küppers, Friedrich Ludewig Sagne, Conrad Jakob Beckers, Gerhardus Königs, Gottfried
Busch und Johann von Berg.
Bevor Bürgermeister Henssen das erste Formular ausfüllte, verfasste er folgendes Vorwort.
Die Gemeinde Ratheim stand zur Zeit, wo sie unter französischer Herrschaft kam, unter Pfalzbayerischer Hoheit und machte einen Teil des Amts Wassenberg aus, welches zum Herzogtum
Jülich gehörte. Durch das französische Dekret, welches in vier Rhein-Departements Frankreich einverleibte, ist sie ein interierender Teil des französischen Reiches und in
die Mairie Ratheim, Arrondissement Aachen, Departement de Roer, von welchen die Stadt Aachen die Hauptstadt und Sitz des Präfekten gewesen, aufgenommen. Durch den Pariser Frieden vom
30.Mai 1812 ist die Gemeinde Ratheim von Frankreich wieder aufgelösst und in Gemässheit der im Frühjahr 1815 zwischen den hohen verbündeten Mächten zu Wien
stattgehabte Verhandlungen und Beschlüssen und darauf gegründeten Verträgen der Krone Preussen angefallen.Nach dem Allerhöchsten Patent d.d. Wien den 15.April 1815,
vermittels welchen Se. Majestät der König von Preussen Friedrich Wilhelm III., von den Entschädigungsprovinzen am Rhein Besitz genommen, ist die Gemeinde Ratheim dem
Grossherzogtum Niederrhein zugeteilt und bei erfolgter Abgrenzung des Verwaltungsbezirks der Königlichen Regierung zu Aachen im Jahre 1816 dem Landrätlichen Kreis Heinsberg
zugefallen. Ferner gehört sie gegenwärtig in katholischen Kirchensachen zu der Erzbischöflichen Diözese Köln, in Justizsachen zu dem Königlichen Friedensgerichte
zu Heinsberg und zu dem Königlichen Landgerichte zu Aachen, in militärischer Hinsicht zu dem 25. Landwehr-Regiment und zu dem 2. (Erkenzschen) Bataillon desselben.
Es folgt nun das Wesentliche aus Band I der Chronik und tunlichst in der Sprache des Chronisten.
1816
- Der Bevölkerungsstand zählt Ende des Jahres 810 männliche und 825 weibliche Einwohner, 30 Knaben und 20 Mädchen wurden geboren, 20 männliche und 26 weibliche
Personen starben, 5 Paare wurden getraut.
- Anhaltendes Regenwetter beschädigte die Ernte so, dass die ohnehin karg gewachsene Frucht nicht die Hälfte der gewöhnlichen Nahrungssubstanz enthalten hat. Im Jahre 1815
war die Halmfrucht ebenfalls missraten, so das Lebensmittel gegen Ende 1816 erheblich teuerer wurden.
1817
- Die Teuerung, die durch die Missernte des Vorjahres hervorgerufen wurde, steigerte die Not der Bevölkerung, so dass man schliesslich nicht mehr in der Lage war, die Menschen
zu ernähren. Das Pfund verdorbene Frucht kostete 5 Stüber, 2 Silbergroschen. Viele Leute mussten sich mit Brennesseln ernähren. Als die Not am grössten war, sandte seine
Majestät der König vom fernen Osten Roggen, um die Bevölkerung vom Hungertode zu bewahren.
1818
- Der Lohgerber Matthias Weitz zu Millich legte unterhalb des Dorfes Millich auf dem Bach eine Lohmühle an.
1819
- Am 27.7. nachmittags 1 Uhr, entzündete der Blitz die Scheune des Friedrich Ludwig Sayen. Mehrere Gebäude brannten nieder, weil das Feuer auf die strohgedeckten Anwesen
ohne weiters übergriff.
- Es wurden zwei Roer-Durchstiche, einer gegenüber Vogelsang, der andere etwas oberhalb ausgeführt.
- Als dem Regierungsbezirk Aachen der Beitritt zur Bergische Feuerversicherungsanstalt freigegeben wurde, versicherten sich Ratheimer sofort für 8710 Reichstaler.
- Die Ernte war reich gesegnet, die Preise der Lebensmittel erreichten wieder den Stand von vor 1816.
1820
- Statt der seitherige Personal- und Mobilar-Steuern wurde die Klassensteuer eingeführt. Hierdurch bekam die Gemeinde Ratheim ca. dreimal soviel an Klassensteuern, wie sie vorher an
Personal- und Mobilar-Steuern zu zahlen hatte. Die frühere Patentsteuer wurde aufgehoben und dafür die Gewerbesteuer eingeführt.
1821
- Am 22.11. ertrank der Ackerer Johann Moll aus Kleingladbach, als er seine mit Ochsen bespannte Fuhre Steinkohlen an der Ohofen-Fähre durch die Roer fahren wollte. Sein
Leichnam war, aller Mühe ungeachtet, nicht aufzufinden und wurde erst 1.Mai aufgefunden.
- In diesem Jahr machte sich ein grosser Geldmangel bemerkbar, wodurch alle Geschäfte in Stockung gerieten. Die Scheide-Münze, nach welcher der Taler in 30 Silbergroschen
eingeteilt ist, wurde eingeführt.
1822
- Die Ernte war in diesem Jahr wegen der Dürre schlecht geraten, ausserdem war sie durch Mäusefrass sehr beschädigt.
- Es wurden zwei neue Brandspritzenhäuschen, eins in Millich, das andere zu Gendorf durch Johann Peter Jansen von Schaufenberg, beide für 166 Taler gebaut.
1823
- Am Abend vor Christi Himmelfahrt war ein fürchterliches Gewitter, welches in der Gemeinde an fünf verschiedenen Stellen einschlug und an einigen Stellen sojar
zündete. Das Feuer wurde jedoch glücklich gelöscht und aller Schaden abgewehrt.
1824
- Im Dezember fiel der Mühlenknecht Heinrich Beckers, und die von ihm geführte mit Säcken schwer beladene Fuhre ging ihm über den Leib. Unter den grössten
Qualen hat derselbe noch ca. 1 Monat gelebt und ist hiernach an den Folgen dieses Unglücks gestorben.
- Am 16.April geriet das Landhaus des Laurenz Küsters zu Schaufenberg in Brand, weil man Flachs zu Dörren in den Ofen getan hatte. 3/4 des Hauses wurde beschädigt.
- Die Begrenzung zwischen hiesiger und den benachbarten Gemeinden für das Steuerkataster wurde durch den Geometer Herrn Stunge aufgenommen. Solche wurde mit Ausnahme an der Myhler und
Hückelhovener Seite, wo deshalb Streitigkeiten war, friedlich beendigt. Die erwähnten Streitigkeiten wurden der vorgesetzten Behörde zur Entscheidung vorgelegt.
1825
- Eine öffentliche Elementarschule wurde in Millich errichtet, bei welcher der Kaspar Heinrich Schopen, der sein eigenes Haus dazu hergab, das Lehramt wahrnimmt.
- Die seit mehreren Jahren, ohne höhere Autorisation zu Krickelberg bestandene Schule wurde als Elementarschule anerkannt und dem Heinrich Houben von Heinsberg durch die
königliche Regierung Erlaubnis gegeben, derselbe für ein Jahr als Lehrer zu bedienen. Für die Schule zu Krickelberg wurde der Ackerer Gerhard Adams von Krickelberg und der
Ackerer Johann Heinrich Diek von Vogelsang unter Direktion des Herrn Pfarrer Göbbels zu Schulvorstehern ernannt.
- Das Raupen-Ungeziefer war wieder so häufig wie im vorigen Jahr zu verzeichnen. Es ging so weit, dass im Frühsommer die Bäume blätterlos da standen und kein Obst
einbrachten.
- In diesem Jahr war eine anhaltende Dürre als im Jahre 1822 zu verzeichnen, die sich jedoch lange nicht so nachteilig auf die Ernte auswirkte wie damals.
1826
- Am 28.Mai, nachmittags 5 Uhr, richtete ein aus dem Osten herkommendes Gewitter einen fürchterlichen Schaden an. Es fielen Hagelkörner von der Dicke einer kleinen
Kartätschenkugel.
1827
- Der Johann Arnold Hubert Grates von Hilfarth wurde als Schullehrer zu Krickelberg angenommen und von der Königlichen Regierung zu Aachen für ein Jahr genehmigt.
- An Ohof, etwas unterhalb der früheren Fähre, ist durch die Pächter des Ohofer Landgutes, Konrad Knorr und Jakob Beckers für Rechnung des Herrn Grafen von Spee zu
Düsseldorf, ihres Pachtherrn, eine schöne neue Brücke über die Rur gebaut worden. Der Pächter Knorr, welcher zugleich beigeordneter Bürgermeister
hierselbst ist, hat sich besonders viel Mühe gegeben, das der Bau zustanden gekommen ist und hat sich dadurch ein Verdienst um die ganze Gemeinde erworben.
1828
- Es wurden zwei neue Holzbrücken, eine über den Bach zu Millich, die andere über den Bach zu Gendorf gebaut, welche hauptsächlich bei Frostwetter, wo die Bäche
sonst mit Fuhren nicht zu passieren waren, benutzt werden sollen, dagegen aber bei guter Witterung von keiner Fuhre passiert werden durften. Diese Brücken kosteten 36 Taler.
- Michael Emonds, Drechsler zu Millich, liess sich einfallen, Viertel-Branbanter Kronentaler zu münzen. Bei einer Hausvisitation wurde er des Falschmünzens
überführt und zu 5 jähriger Zwangsarbeit verurteilt.
1829
- Dadurch, dass im Winter viel Schnee gefallen war, und auch den ganzen Sommer durch anhaltendes Regenwetter herrschte, war Ende August und Anfang September die Rur
überschwemmt. Hierdurch wurde viele Kartoffeläcker, der Flachs, der auf den Äckern zum Rösten lag und das Grummet verdorben. Der Schaden wurde auf 600 Taler
festgestellt.
- Am 26.8. wollten die Eheleute Peter Ahlen und Agatha Königs aus Millich vor Tagesanbruch entweder in einem Kahn auf dem Rurfluss fischen oder übersetzen, um sich Holz aus dem
Kappbusch zu holen. Um 1/2 11 Uhr vormittags schwebte der Kahn, welcher mit einigen Dornenpflanzen beladen war, und der mit dem Kacken sowie Kette an einer Wurzel oder in einem sonstigen
Gesträuch im Wasser festhielt, noch mitten auf der Rur. Von den Eheleuten Ahlen war nicht zu erfahren, wo sie geblieben seien. Der Hut des Mannes war indes schon gegen
Sonnenuntergang an der Ohoferbrücke aus der Rur gefischt worden. Nach dem Suchen nach den Vermissten fand sich noch am nämlichen Tag auch das Kopftuch der Frau im Wasser, jedoch
waren die ertrunkenen Menschen nicht zu finden.
Am 30.8. endlich bei dem starken Anschwemmen des Wassers, schwamm der entseelte Körper der Frau an der Ohofer Brücke auf der Rur und wurde herausgezogen. Der Leichnam des Mannes
fand sich am 31.8. morgens auf einer Kiesbank unterhalb der Brücke. Es fanden sich an den Leichen keine Spuren eines gewaltsamen Todes. Auch sonst war nicht festzustellen, das ein
Dritter an diesem Unglück Schuld trage. Daher wurden die Ertrunkenen ohne gerichtliche Obduktion am 1.9. beide in einem Grab beerdigt. Durch dieses Unglück wurden 5
minderjährige Kinder Waisen zu deren Ernährung und Beköstigung die Eltern kein Vermögen hinterliessen. Die Waisen wurden der Gemeinde zur Versorgung übergeben. Da die
Armenverwaltungskommission auch in ihren Mitteln erschöpft war, beschloss dieselbe, der Bürgermeister sollte eine Kollekte zur einstweiligen Unterhaltung dieser Kinder abhalten.
Dieses ist dann auch geschehen, die Kollekte brachte 38 Taler, 17 Silbergroschen ein.
1830
- Der Schullehrer Johann Arnold Hubert Grates zu Krickelberg ging in das Schullehrerseminar nach Brühl, nachdem er die Schule in Krickelberg drei Jahre bedient hatte. An seiner Stelle
wurde der Schulamtsaspirant Johann Arnold Korsten von Oerath zum provisorischen Schullehrer gewählt.
- Die Schanzbrücke wurde durch die Überschwemmung des Erlenbaches ganz unbrauchbar, weshalb die Gemeinde Oberbruch dieselbe verlegte, hierdurch berührte dieselbe die
Grenze der hiesigen Gemeinde. Bei den dieserhalb geflogenen Verhandlungen zwischen den Vorständen von Oberbruch und von Ratheim, den Besitzern der dort gelegenen Wiesen und den Besitzern
der Rurbrücke, wurde sich von hier ausdrücklich gegen alle Beiträge zu dem Bau und den Unterhaltungskosten dieser Brücke verwahrt.
- Am 28.10. sollte die Anna Katharina Stouver von Unterbruch, welche als Magd auf dem Ohof diente, Viehfutter aufs Feld holen, von wo aus sie sich wahrscheinlich durch den Rurfluss nach
Hause zu ihren Anverwandten begeben wollte.
Am 27.11. wurde ihr entseelter Leichnam unterhalb Oberbruch in der Rur gefunden.
1831
- Statt des provisorischen Bürgermeisters Kaspar Henssen zu Hilfarth wurde unter dem 15.4. von der königlichen Hochlöblichen Regierung zu Aachen der Johann Arnold Beckers,
Ackerer zu Ohof bei Ratheim, zum provisorischen Bürgermeister der Gemeinde Ratheim ernannt. Seine Beeidung fand am 24.4., die Einführung aber, die mit dem grössten Triumph
geschah, am 1.Sonntag im Mai 1831 statt.
1832
- In der Nacht vom 13. zum 14.11.1832 ereigneten sich Erscheinungen am Himmel, die so merkwürdig waren, dass man wohl mit Recht sagen kann, dass sich niemals merkwürdigere
Lufterscheinungen ereignet haben. Gegen Mitternacht war der Anfang, man sah feuerige Kugeln, die auseinandersprangen, kreisförmig umherkreiselten, so dass der ganze Himmel einem
Feuermeer glich, hierdurch wurde es so hell und klar, dass man eine Nähnadel vom Boden aufheben konnte. Endlich teilten sich die Figuren in feuerige Stangen und verschwanden, wobei es
dann wieder so finster wurde, dass man nicht einmal in der Entfernung eines Schrittes einen Menschen wahrnehmen konnte. So wechselten diese Erscheinungen alle 10 Minuten bis morgens 6 Uhr ab.
Dann zeigten sich noch gegen Osten feurige Balken, die sich allmählich vereinigten und so wieder verschwanden.
- Am 13.8.1832, nachmittags, brachte ein Gewitter einen fürchterlichen Regen mit sich. Dieses Gewitter, dass beinahe eine Stunde dauerte, zerschlug nicht nur alle Feldfrüchten und
Gartengewächse, sondern auch die Dachziegel und Scheiben der Fenster an den Häusern. Sogar Vögel, Feldhühner und Hasen wurden, von den Hagelsteinen totgeschlagen,
gefunden. Diese Hagelsteine hatten ein Gewicht von 6 Lot. Die Abschätzungskommission schätzte allein den Feldschaden auf 21000 Taler. Die Pfarrkirche wurde für 186 Taler
beschädigt.
- Laut Genehmigung des Königl. Herrn Landrats zu Heinsberg vom 20.10. wurden in der hiesigen Gemeinde zwei Fahrbrücken angefertigt, eine im Schanzwege, die andere bei den Ohofer
Weiden.
1833
- Am 10. Mai hatte in der Prozesssache zwischen Ratheim und Hückelhofen wegen der Eigentumsansprüche letzterer auf das Millicher Bruch eine örtliche Untersuchung seitens des
Landgerichtes zu Aachen stattgefunden.
1834
- Bevölkerungsstand: 919 männliche, 926 weibliche Personen.
geboren 26 Knaben, 19 Mädchen.
gestorben: 26 männliche, 27 weibliche Personen.
getraut: 11 Paare.
- Am 5.1. während der Nachtzeit trat die Rur aus ihrem Bett, wodurch das an der Rurbrücke gelegene Wachthäuschen teilweise weggerissen wurde. Überhaupt waren die
Überschwemmungen in diesem Winter sehr häufig, denn vom 14.11.1833 bis 5.1.34 war die Rur 5 verschiedene Male über die Ufer getreten, wodurch wenigstens 20 Morgen Land
teils weggerissen, teils versandet wurden.
1835
- Am 27.4.1835 wurde in Gegenwart des Herrn Pfarrer Göbbels, Bürgermeister Beckers, des Gemeinderats und einer grossen Einwohnerzahl durch den Pfarrer den 1. Grundstein zum Neubau
des hiesigen Pfarrhauses feierlich gelegt.
- Seitens der hohen Ministerien des Inneren und der Polizei wurde entschieden, dass durch vorteilhaften Verkauf der Gemeindegründe ein Kapital beschafft worden ist, von dem auf die
eine oder andere Art Nutzen gezogen wird. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen konnten nicht berücksichtigt werden, weil der Verkauf von den kompetenten Behörden genehmigt war.
Die Einreden waren von verschiedenen Einwohnern der Gemeinde Ratheim darum gebracht worden, weil sie sich ihren Privatbesitzrechten, die sie an den verkauften Grundstücken zu haben
glaubten, beträchtigt fühlten.
1836
- Am 15.1. war der Pfarrhausbau soweit beendigt, dass derselbe von Herrn Pfarrer Göbbels, für welchen bis dahin eine Wohnung in dem Hause des Theodor Janhsen gemietet war, bezogen
werden konnte. Die Gesamtkosten des neuen Pfarrhauses betrugen 1745 Taler, 14 Stüber, 8 Pfennige.
- Im Juli und August fand die Aufnahme der Gebäudebeschreibungen zum Zwecke des Beitritts zur Rheinischen Provinzial Feuer[...?...] statt. Obgleich die Aufnahme, da sie die erste im
Kreis war, mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, so fiel das Resultat doch günstig aus, indem die Versicherungssumme von 111.000 Taler die frühere noch um 16.000 Taler
übersteigt und niemand ausgeschieden ist.
- Im Dezember wurde eine neue Flutbrücke zu der Anschlagsumme von 200 Taler erbaut, wovon die Rurbrückenbesitzer kontraktmässig die Hälte der Kosten tragen mussten.
1837
- Der Winter von 1836/37, welcher als betrachtes werden muss [?], trat im März 1837 mit ungewöhnlicher Strenge auf, indem es am Palmsonntag, den 19.3., zu frieren begann und der
Schnee blieb bis Ende März liegen. Am 5.4. trat bei Nordwind wieder Frost und Schnee ein. Letzterer fiel bis zum 10. ununterbrochen in solchen Mengen, dass alle Wege und Stege
unbasierbar wurden und das freie Feld mehrere Fuss hoch damit bedeckt war, was seit Menschengedenken in dieser Jahreszeit nicht mehr vorgekommen war. Der [...?...] Schnee blieb bis Ende Mai
liegen.
- Während der beiden Monaten Juni und Juli wurden bedeutende Wegearbeiten durchgeführt. Namentlich der Weg zwischen der Rurbrück und Kiwit wurde mehrere Fuss hoch mit Kies
überfahren und so erhöht, dass beim Austritt der Rur die Pasage nicht gehemmt wird. Ebenso wurde die Dorfstrasse an der Burg, welche bergig und schwer zu passieren war, gebaut,
verbreitert und verschönert.
- Am 16.9. zeigte sich in den Stallungen des Lorenz Frentzen zu Millich eine Viehkrankheit, die bei näherer Untersuchung seitens des Vieharztes Zirkel für eine sehr
ansteckende Lungenseuche gehalten wurde. Diese griff sehr schnell um sich, und es kann nur den sorgfältigen Massnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung zu verdanken sein, dass
nicht mehr als 51 Stück Rindvieh krepiert sind und mit Ablauf des Jahres die Seuche in Millich beendet war.
1838
- Vom 1. bis 6.1.1838 war das Wetter so schön, dass man meinte, der Winter sei vorüber. Die Amsel im Busch und die Lerche auf dem Felde sangen, man wollte sogar Schwalben gesehen
haben. In der Nacht vom 6. zum 7.1. begann es aber wieder zu frieren, am 10.1. fiel ein gewaltiger Schnee, so dass es in den beiden nächsten Monaten sehr kalt war. Während dieser
Zeit wurden 42 Armenhaushaltungen der nötige Brand verabreicht, 16 Haushaltungen wurden mit Bettzeug versehen. Die Mittel wurden durch eine abgehaltene Kollekte des Bürgermeisters
bestritten.
- Der Hohlweg, die Schmitterstrasse, welche nur 12 Fuss breit war, wurde infolge Tauschvertrag vom 1.9.1837 von der hohen Regierung genehmigt und unterm 18.10. bis auf 32 Fuss erbreitert,
geschlichtet und mit einer Kiesdecke von 4 Fuss überfahren, so dass dieser Weg jetzt keinem Hohlweg mehr gleichkommt.
- Am 6.11. wurde mit dem hiesigen Schullehrer Johann Arnold Grates an der Elementarschule zu Ratheim wieder auf drei Jahre kontrahert, dessen Berufsbrief am 3. Dezember von hoher Regierung
genehmigt worden ist.
1839
- Im Monat Januar verbreitete sich das Gerücht, das ein Einwohner zu Millich die lt. hiesiger Chronik vom Jahre 1829 ertrunkenen Eheleute Peter Ahlen und Ehefrau Agatha geb.
Königs zu Millich ermordet haben soll. Die gerichtliche Untersuchung ergab jedoch, dass dieser Verdacht unbegründet war. Die Untersuchung der Leichen des Ehepaares führte zum
gleichen Ergebnis.
- Nach der im Jahre 1830 am 20.Mai stattgefundenen örtlichen Untersuchung in Sachen des Millich-Hückelhovener Bruches wurde das Urteil des Königlichen Landgerichtes zu Aachen
am 11.3.1835 darüber ausgesprochen, dass die früher ausgesprochenen gemachten Ansprüche der Gemeinde Hückelhoven auf das Bruch als rechtmässig anerkannt wurden. Die
Gemeinde Ratheim appelierte dagegen an den Appelationshof zu Köln. Die Klage wurde jedoch abgewiesen und Ratheim zum Tragen der Gerichtskosten verurteilt.
1840
- Am 5.10. wurde durch milde Beiträge an Geld und Roggen in der hiesigen Gemeinde (Bürgermeisterei) das Türbetteln angeschafft und es wurde wöchentlich 13 Brote von je
12 Pfund den Armen verabreicht.
- Am 15.10. wurde das Huldigungsfest und der Geburtstag unseres hochverehrten Königs Friedrich Wilhelm IV in der hiesigen Bürgermeisterei gefeiert. Am Vorabend
kündigte das Geläute der Glocken und das Rühren der Trommeln unter dem Donner der Böller die Feierlichkeiten an. Bei Anbruch des darauffolgenden Tages wurde wieder durch
Glockengeläute, Trommelschlag und durch 21 Schüsse jeder Einwohner hierzu eingeladen. Gegen 9 Uhr morgens hatten sich die Ortsbehörden in dem Gemeindelokal versammelt, wo
dieselben durch die Josefs- und Bastians-Bruderschaft mit Begleitung der Schuljugend mit klingendem Spiel in feierlichstem Zuge zur Kirche geführt wurden. Hier wurde im Hochamt mit
Tedeum gehalten, während die Kanonade fortdauerte. Nach beendigtem Gottesdienst begab sich der Zug zum Gastwirten und Beigeordneten Gottfried Busch zu Busch, wo ein Diner von 40 Personen
erster Klasse stattfand. Der Bürgermeister brachte einen Toast unserem hochverehrten Könige und dem ganzen Königlichen Hause dar, während 101 Schuß abgeschossen
wurden. Später begab man sich zu einem bedeutenden Zuge, dem sich alle Teilnehmer des Festes anschlossen, zum Gastwirten und Gemeinderatsmitglied Krings zu Gendorf, wo dann Tanz, Musik
und später Ball eröffnet wurde. Munterer Sinn und Heiterkeit belebte die Menge, und bis in die späte Nacht hörte man patriotische Lieder an allen Orten erklingen.
1841
- Auch in diesem Jahr wurde wieder bedeutende Wegdienste geleistet (Hand und Spanndienste). Hauptsächlich wurde der Weg über die Kirchstrass nach Wassenberg und der von Millich
bis zur Hückelhovener Grenze planiert. Ebenso der von Gendorf nach Altmyhl,welcher vorher ein Hohlweg war.
1842
- Unterm 22.4. wurde der Millicher Schulneubau von der hohen Regierung genehmigt. Dieselbe war veranschlagt zu 1.834 Taler, 25 Silbergroschen und wurde dem hiesigen Zimmermeister Franz
Losberg übertragen. Am 5.7. wurde der Grundstein zu dieser Schule gelegt. Herr Vikar Kroels legte bei dieser Gelegenheit den Millicher und Schaufenberger Eltern mit einigen herzlichen
Worten die Sorge für einen regelmässigen Schulbesuch ans Herz und sprach zuletzt noch zu den Kindern über den Nutzen einer guten Erziehung und eines guten Unterrichtes und
ermahnte sie dringend zum fleissigen Besuch der Schule.
Hiernach legte Herr Bürgermeister Beckers den ersten und darauf Herr Vikar Kroels den zweiten Stein zum neuen Gebäude, dem die Herrn des Schulvorstandes und des Baukomitees sich
anschlossen. Die meisten Hand- und Spanndienste wurden in diesem Jahre am Millicher Schulneubau geleistet.
- Die wichtigsten Wegearbeiten geschahen in diesem Jahre auf dem Wege von Millich nach Schaufenberg und in der Gransweide zwischen Gendorf und Myhl. An beiden Stellen wurden auch mehrere
Kanäle angelegt.
- Es sind in diesem Jahre auch wieder 25 Malter Roggen zur Abschaffung der Türbettelei in der Gemeinde gesammelt und zu Brot verbacken und unter die Armen verteilt worden.
1843
- Der hiesige 2. Lehrer und Küster einers ist mittels Regierungsverfügung und mit Beibehaltung der Küsterstelle nach 33 jähriger Schuldienstzeit in den Ruhestand
versetzt worden. Sein Ruhegehaltbeläuft sich auf 25 Taler jährlich.
- Am 27.12. sind die hiesigen Einwohner Johann Leonard Thissen, Ackerer und Andreas Welz, Holzschumacher, mit Weib und Kind, nachdem sie hier zuvor ihre ganzen Habseligkeiten verkauft
hatten, in den Staat Guatemala in Amerika ausgewandert.
1844
- In diesem Jahre wurde in Busch, dem Hause des Wirtes Busch gegenüber, über den daselbst fliessenden Bach eine neue steinerne Fahrbrücke zu 37 Taler 21 Silbergroschen von
Mauermeister Adam Janssen hierselbst gebaut.
- Der Weg vom Winkelhausener Hof nach Gendorf wurde planiert und ausgebaut.
- Der Heerweg von der Wassenberger-Strasse bis Gendorf sowie von Hallerlinde bis Millich ist auf die gesetzliche Breite erweitert und in Pfähle gelegt worden.
1845
- Obwohl in dem Winter 1844/45 weder Schnee lag, so kann er doch zu den strengen gezählt werden. Am Ostermontag, dem 24.3. hatte man noch auf dem Weiher eine Bude errichtet aus welcher
allerlei Eswaren für die Kinder dargeboten wurden. Infolge der so strenge Kälte haben sich auch verschiedene Wölfe hier sehen lassen.
- Im Monat Februar erfolgte die Versetzung des seit 4 Jahren als Vikar hier tätig gewesenen Herrn Mathias Kroels nach Hemmenden im Kreis Grevenbroich. An seiner Stelle wurde der
neugeweihte Priester Adam Schröter aus Breidenbach als Vikar hierselbst ernannt. Anstelle des verstorbenen Pfarrer Göbbels wurde der bis dahin in Bocklemünd bei Köln
tätige Pfarrer Johann Wilhelm von de Fenn als Pfarrer von Ratheim ernannt. Am 2. März fand die feierliche Installierung statt.
- Gegen Ende des Monats August welkten plötzlich die sonst in dieser Zeit noch recht grünen Blätter der Kartoffeln. Nach kurzer Zeit waren alle Kartoffelfelder davon
befallen. Bei der Ernte ergab sich, dass die Befürchtungen für eine schlechte Ernte der Kartoffeln nur zu begründet waren. Der Magdeburgische Morgen brachte nur 45 Scheffel. An
der Frucht selbst äusserten sich schwarzblonde Flecken als Zeichen dieser Krankheit. Die Kartoffeln waren ungeniessbar. Infolgendessen und auch als Folge der sonstigen schlechten Ernte
trat gegen Ende des Jahres eine ungeheuere Teuerung ein. Die Teuerung war so schlimm, dass 80 Haushaltungen Brotunterstützung gewährt werden musste. Die zu diesem Zwecke
durchgeführte Hauskollekte reichte zur Bestreitung der Unkosten nicht aus, so dass mit Genehmigung der Königlichen Regierung aus der Grund und Klassensteuer 200 Taler repartiert
werden mussten.
- Am 29.12. ist der Rurfluss in einer derartigen Weise über seine Ufer getreten, dass sich selbst die ältesten Einwohner nicht einer solchen Wasserflut erinnern
können.
1846
- Die durch des Königs Majestät unterm 23.7.1845 erlassene neue Gemeinde Ordnung wurde in diesem Jahre in der hiesigen Bürgermeisterei eingeführt.
Da keine der zur Bürgermeisterei gehörenden Ortschaften vor der französischen Occupation einen eigenen Haushalt gehabt, vielmehr immerfort einen integrierenden Teil der
Gemeinde Ratheim ausgemacht, so blieb das Verhältnis das gleiche. Nachdem mit Regierungsverfügung vom 28.3.1846 bestimmt worden war, dass die fungierenden Bürgermeister
einstweilen beibehalten werden sollten, wurde mittels Wahlakten vom 3.8. für die aus 2.022 Einwohnern bestehende Gemeinde Ratheim 12 Gemeindeverordneten und 6 Stellvertreter
gewählt. Die Wähler wurden in 3 Klssen eingeteilt.
Folgende Personen wurden gewählt:
I. in der 3. Wählerklasse
a) Gemeindeverordnete
1. Johann Laurenz Thönnessen, Ackerer zu Ratheim
2. Wilh. Heinrichs, Schuster zu Busch
b) 3. Theodor Janhsen, Ackerer zu Ratheim
4. [...?...] Königs, Ackerer zu Millich
[...?...] Thönnessen, Ackerer zu Krickelberg
[...?...] Schankwirt zu Gendorf
II. in der 2. Wählerklasse
a) Gemeindeverordnete
1. Friedrich Wilhelm Weidmann, Ackerer zu Krickelberg
2. Karl Moll, Ackerer zu Busch
3. Matthis Esser, Ackerer zu Gendorf
4. Kaspar Herrmanns, Ackerer zu Ratheim
b) zu Stellvertretern
1. Peter Heinrich Moll, Schankwirt zu Busch
2. Johann von Berg, Ackerer zu Gendorf
III. in der 1. Wählerklasse
a) Gemeindeverordnete
1. Ludwig Knorr, Ackerer zu Ratheim
2. Heinrich Beckers, Ackerer zu Ratheim
3. Theodor Adams, Ackerer zu Ratheim
4. Peter Conrad Knorr, Ackerer zu Busch
b) zu Stellvertreter:
1. Johann Dietrich Janhsen, Ackerer zu Millich
2. Franz Düsterwald, Ackerer zu Venn
Gemäss §46 der Gemeindeverordnung gehören dem Gemeinderat als geborene Mitglieder an:
1. Johann Arnold Beckers, Bürgermeister und Gutsbesitzer auf Ohof
2. Ludwig von Spiehs, Freiherr, wohnhaft zu Düsseldorf
3. Franz Clouth, Freiherr und Major a.D., zum [Merödchen?]
Der Bürgermeister übernahm auch das Amt eines Gemeindevorstehers und wurde als solcher unterm 14.12. durch den Herrn Landrat, an welchem Tage auch der neue Gemeinderat installiert
wurde, eingeführt. Als Beistand des Vorstehers wurde der Gemeindeverordnete Theo Adams ernannt.
- Auch in diesem Jahr trat eine sehr grosse Teuerung ein. Durch die allwärts missratene Ernte blieb der Preis für ein 12 pfündiges Roggenbrot gegen Ende des Jahres bei
12 Silbergroschen. Es wurde für 300 Taler Roggen angekauft, zu Brot gebacken und unter die Armen verteilt werden. Für 100 Taler wurden Steinkohlen gekauft. Aber alle diese
Unterstützungen vermochten kaum das traurige Los der ärmeren Bevölkerung (Klassen) zu änderen, wenn nicht der Privatwohltätigkeitsinn der Einwohner auf eine
schöne Weise zu Hilfe gekommen wäre. Aus allen Gegenden strömten die Bettler heran, so dass es der Mildtätigkeit der Begüterten nur verdankt werden kann, das die
Proletarier in ihrer grossen Not nicht zu Exzessen übergegangen sind.
Das Original dieser Chronik hat mir nicht vorgelegen, ich musste daher eine z.T. sehr schlechte Kopie des Manuskriptes von Peter Knippertz abtippen. Dabei habe ich die Schreibweise einzelner
Worte da verbessert, wo ganz offensichtlich nur ein Tippfehler im Manuskript vorlag; die Schreibweise der übrigen Wörter sollte daher (hoffentlich!) mit dem Original
übereinstimmen.
Nicht mehr lesbare bzw. fragliche Partien habe ich in eckige Klammern gesetzt. Einrückungen, Hervorhebungen und Unterstreichungen sind von mir zugefügt worden, um die Lesbarkeit der
Internet-Seite zu verbessern.