und unsere Gemeinschaft der Gemeinden
von Walther Maas (1908-1995)
Reste des Kapbusch zwischen
Ratheim, Hilfarth und Dremmen Bildquelle: A. Preßler 1985 |
Der Autofahrer, der von Dremmen oder Ratheim die Ruraue in Richtung Hilfarth durchfährt, ahnt wohl kaum, welch geschichtsträchtige Landschaft er berührt. Wo die alten Gemarkungsgrenzen von Dremmen, Hilfarth und Ratheim zusammenstoßen, liegt zur Rechten ein Feldgehölz, das noch Anfang unseres Jahrhunderts im Volksmund „an de Campanus-Eek" (Campanus-Eiche) hieß. Wenn wir eine Erklärung für die alte Flurbezeichnung suchen, müssen wir mindestens 450 Jahre zurückgehen.
Die Lehren des Erasmus von Rotterdam, Martin Luthers und Zwinglis hatten das religiöse Denken aufgewühlt wie nie. Die Verweltlichung der Kirche und große Mißstände in derselben hatten bereits Jahrhunderte vorher zu Aufständen geführt, und jetzt ließ sich der angesammelte Stau nicht mehr aufhalten. Auch unsere Heimat wurde davon erfasst. Prediger zogen durch das Land, die als „Prädikanten von Wassenberg" in die Geschichte eingegangen sind. Einige von ihnen waren hochstudierte Theologen, Wittenberger Schule, wie z. B. Theodor Fabricius, Kloppreys, Clarenbach etc.; andere waren mehr oder weniger Laien, wie Gys van Rothem, der Kaplan in Hoengen gewesen war. Diese Prädikanten fanden großenteils Verpflegung, Unterkunft und Schutz bei Werner von Palant, dem Vogt des Amtes Wassenberg auf Burg Wassenberg, und dem ihm befreundeten Heinrich von Olmissen genannt Mülstroe auf Haus Hall.
Der Landesfürst, Herzog Johann III. von Jülich, Cleve und Berg etc. hatte die Missstände in der Kirche schon früh erkannt und erließ bereits 1525 und 1532 reformierende Kirchenordnungen. Die herzogliche Regierung forderte auf den Reichstagen sogar die Freigabe der Priesterehe und die Feier des Abendmahls mit Brot und Wein.
Im Jahre 1527 erscheint in unserer Gegend zugleich mit dem Lutherfreund Fabricius Johannes Campanus. Dieser wurde um 1500 in Maaseyck geboren und starb 1574. Nach anderen Berichten soll er aus Kempen/Rur stammen. Er war zuerst Klostergeistlicher in Roermond. Nach seinem Treffen 1527 mit Fabricius in Wassenberg ging er 1528 an die Universität Wittenberg. Dann finden wir ihn bis 1552 predigend in unserer Gegend, wobei er zumeist in Haus Hall Unterkommen fand.
Campanus war kein Reformator im Sinne Martin Luthers. Er war ein Anderer, ein jugendlicher Heißsporn und ein Anhänger Zwinglis. Er lehnte die Eucharistie und die Trinitätslehre ab und wollte das Abendmahl vergeistigt verstanden wissen. Mit unerhörter Unrast verkündete er die Schrift an den verschiedensten Orten zwischen Roermond und Jülich. In den Anfängen predigte er in Wohnungen, Scheunen und auf offenem Markt, teilweise auch in den Kirchen und er hatte großen Zulauf, wie aus den Kirchenvisitationen und anderen Quellen der damaligen Zeit hervorgeht.
1539 starb Herzog Johann III. und sein Sohn wurde als Wilhelm V. (1539 bis 1592) Herzog von Jülich, Cleve und Berg. Dieser war zunächst durch seine Erziehung für die Reformation sehr aufgeschlossen. Aber, nach Verlust des Geldrischen Erbfolgekrieges musste er 1543 zu Venlo Kaiser Karl V. kniefällig versprechen, sein Land der alten Kirche zu erhalten und keinerlei Ketzerei mehr zu dulden. Auch seine Ehe mit Maria von Österreich, der Tochter des Königs und späteren Kaisers Ferdinand, hat ihn wesentlich zu einer gegenreformatorischen Haltung beeinflusst. Wohl nicht immer mit dem ausdrücklichen Willen des Herzogs Wilhelm setzte eine Verfolgung der Prediger ein, mehrere wurden hingerichtet oder ihrer Habe beraubt und des Landes verwiesen. Auch Johannes Campanus wurde davon betroffen, und die Versammlungen seiner Anhänger – „Beykommpste" genannt – mussten heimlich stattfinden. Ein zentraler Treffpunkt war die Campanus-Eiche am Rand des Kapbuschs, wo er das „Wort der Schrift" verkündete. Seine Anhänger aus dem Raume Wassenberg, Vogelsang, Ratheim, Hückelhoven, Hilfarth, Dremmen und Brachelen mögen sich hier versammelt haben. So sagte z. B. ein Zeuge bei einer Befragung 1560:
„Der Junker Mülstroe habe einen Zwinglianer namens Campanus an sich gezogen, der heimlich und nächtlich in Wald und Busch predige."
Der Junker Mülstroe wurde im Jahre 1560 wegen der Unterbringung des Campanus zu einer hohen Geldstrafe verurteilt und mußte sich deshalb die sogenannte Grasweide zu Millich (ca. 56 preußische Morgen) abpfänden lassen.
Campanus wurde 1554 in Angermund in Haft gesetzt und bis zu seinem Tod 1574 gehalten. Campanus und seine Anhänger wurden wegen ihrer besonderen Einstellung zum Abendmahl schlechthin als
„Sacramentierer" bezeichnet. Wenn die Münsterische Wiedertäuferbewegung auch zeitweilig hierzulande großen Anhang hatte, so ist Campanus dieser Bewegung kaum
zuzurechnen. In Hückelhoven und Ratheim sind jedenfalls keine Wiedertaufen bekannt geworden.
Campanus war auch häufig in Jülich, wo er die Entwicklung der neuen Gemeinde stark beeinflußte. Er unterhielt Verbindung mit anderen Reformatoren, u.a. mit dem Kölner
Erzbischof Hermann V. Graf zu Wied und dem Landgraf Philipp von Hessen. Trotz aller Erschwernisse und Drangsalierungen, besonders in der Zeit des Jülich-Klevischen-Erbfolgestreites,
bildeten sich schon bald evangelische Gemeinden, die nach und nach unter den Einfluß der Lehre Calvins kamen was ihnen das strenge Gepräge gab. Das Wirken des Johannes Campanus
ist aus der Geschichte unserer engeren Heimat nicht fortzudenken.
Quellen:
Werner Teschenmacher: Annales Ecclesiastici, Reformationis Ecclesiarum Cliviae, Juliae Montium 1625. Schriftenreihe des Vereins für rheinische Kirchengeschichte Nummer 12. Verlag Presseverband der ev. Kirche im Rheinland, Düsseldorf 1962.
Heinrich Forsthoff: Rheinische Kirchengeschichte 1. Band. Die Reformation am Niederrhein, Lichtweg-Verlag Essen, 1929.
Ekkehard Krumme: Die ersten reformatorischen Bewegungen in Hückelhoven und Ratheim, Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1964
Wilhelm Lückerath: Beiträge zur Geschichte von Heinsberg und Umgebung, Beilage zur Heinsberger Volkszeitung I. Jahrgang, 1897
Text und Bild entnommen aus:
MAAS, W. (1985): Die Campanus-Eiche zwischen Ratheim und Hilfarth. - in: Kreis Heinsberg (Hrsg.): Heimatkalender des Kreises Heinsberg, S. 77f