Wallfahrt nach Ophoven

von Eduard Winkens und Sibille Kurth
 

Maria, die Gottesmutter, wird seit etwa 1350 in Ophoven ganz besonders verehrt. Seit wann die Prozession dorthin von Ratheim aus geht, ist nicht mehr genau zu ermitteln. Jedenfalls kann uns Frau Limburg aus Hagbruch, eine unserer ältesten Mitbürgerinnen, berichten, dass sie schon als Kommunionkind im Kommunionkleid und Kränzchen mit nach Ophoven gepilgert ist. Das war wohl um die Jahrhundertwende.

Von früher her bis heute pilgerten jedes Mal um die 100 Christen mit, ausgenommen die ersten Nachkriegsjahre, in denen weit mehr Pilger mitgingen als Dank für den Frieden.

Der erste Sonntag nach der Herbstkirmes ist der Wallfahrtstag für die Ratheimer. 6.45 Uhr zieht die Prozession von der Kirche ab und ist gegen 8.45 Uhr in Ophoven. Dort wird um 9.00 Uhr die Pilgermesse gefeiert. Anschließend ist Gelegenheit zu einem Imbiss, und gegen 11.00 Uhr wird unter Singen und Beten der Rückweg nach Ratheim angetreten. Gegen 13.00 Uhr ist dort feierlicher Empfang der Pilger unter dem Geläut aller vier Glocken in der Pfarrkirche.

Für mich ist die Prozession nach Ophoven eine der schönsten Erinnerungen an meine Jugendzeit. Es war eine ganz besondere Luft am frühen Sonntagmorgen. Auf holprigen Wegen zogen wir durch die Felder. Damals war die Prozession viel länger als heute, weil da in Zweierreihen gezogen wurde im Gegensatz zu den Dreier- und Viererreihen heute.
Zwischen den Zweierreihen gingen die Brudermeister, stimmgewaltige Männer, die für die Gebetsordnung sorgten. Mit ihren schwarzen, silberbespitzten Stäben zeigten sie bei jedem Ave Maria auf die Vorbeterseite, und es klang lautstark:

"Jeejrüßet seist du, Maria, lenke Sieh" oder "rääte Sieh."

Nach jedem Gesätz wurde die Vorbeterseite gewechselt. Beim "Ehre sei dem Vater" drehte sich der 1. Brudermeister um und machte mit seinem Stab ein Kreuzzeichen, ein Zeichen für die anderen, das gleiche zu tun. So wusste man immer, wann das Gesätz zu Ende war.

Die Gebetspausen benutzten wir Jungen dazu, mal schnell im Feld zu verschwinden oder uns aus den umliegenden Obstwiesen mit Proviant zu versorgen. Die geklauten Äpfel schmeckten am besten, und die Madonna wird es verziehen haben.

In Ophoven angekommen, wurde zuerst die hl. Messe besucht. Wofür wir Kinder damals beteten, weiß ich nicht mehr. Nach dem Gottesdienst hatten wir redlichen Hunger, und jeder von uns war bemüht, möglichst schnell einen Platz an einem der Tische zu bekommen, die im Hof der gegenüberliegenden Gaststätte für die Pilger bereitstanden. Unser Proviant von zu Hause bestand aus Broten, einer Apfeltasche, Kaffeemehl (Muckefuck) und RM 0,20. Das Kaffeemehl wurde von den freundlichen Wirtsleuten eingesammelt und davon ein Gemeinschaftskaffee aufgebrüht. Nachdem jeder seinen Kaffee in der Tasse hatte, kam eine mollige Frau mit einer großen Kanne Milch und fragte jeden:

"Ooch Mälek?"

Für den ganzen Service hatten wir RM 0,05 zu bezahlen.

Eisbude Peters
Eisbude Peters
Bildquelle: Paul Knippertz

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Nach dem Frühstück, das besonders gut schmeckte, liefen wir Jungen in Richtung Effeld über die grüne Grenze nach Holland und kauften "bej ät Männke" für RM 0,10 Schokolade. Die wurde "geschmuggelt", wobei die Zöllner beide Augen zudrückten.
Ich entsinne mich, dass vor der Kirche in Ophoven eine Süßwarenbude von Frau Peters stand, der Großmutter des Herrn Hans Peters (Eisdiele). Dort "verjubelten" wir unsere letzten 5 Pfennige. (Vielleicht wurde hiermit der Grundstock für das heutige Eiscafe gelegt.)

An Seele und Leib gestärkt, traten wir nun den Heimweg an. Wenn beim Hinweg das letzte Gesätz gebetet wurde mit dem Zusatz "Maria, zu dir kommen wir, um deine Gnade bitten wir", hieß es jetzt beim ersten Gesätz: "Maria, von dir scheiden wir, für deine Gnade danken wir." Und so beten wir noch heute.

In Heimatnähe - etwa in Krickelberg - angekommen, begrüßte uns der Klang unserer Glocken. Es war ein erhebendes Gefühl, und das ist es für mich noch heute, müde, aber glücklich, unter Glockengeläut und brausendem Orgelklang in unsere Pfarrkirche einzuziehen, und das "Großer Gott, wir loben dich" nach dem sakramentalen Segen kam aus vollem Herzen.

(aus dem Pfarrbrief September 1987)


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