Aus den Chroniken der Ratheimer Bruderschaften  2

von Johannes Bürger


In dieser Ausgabe des Pfarrbriefes soll über Eintragungen in den Chroniken berichtet werden, die mehr zum Schmunzeln sind, bzw. Merkwürdigkeiten zum Inhalt haben.
 

Der Ursprung des Prunkkirmesdienstag

Die Aufzeichnungen von Peter Schlebusch berichten, dass die Kriege 1864, 1866 und 1870/71 wohl Einfluß auf den Mitgliederstand der St. Josef-Bruderschaft gehabt haben. Er schreibt:

„Von den Ratheimer Veteranen des Krieges 1870/71 stammt folgende Überlieferung:
Als diese Veteranen als junge Gediente unverheiratet zum Kriegsdienst 1870 beim Rheinischen-Infanterie-Regiement Nr. 65 eingezogen wurden, taten sie dem heiligen Josef folgendes Gelöbnis:
„Kommen wir aus diesem Kriege gesund nach Hause zurück, wollen wir zu Ehren des heiligen Josef der St.Josef Bruderschaft neuen Auftrieb geben." Alle die zum Kriegsdienst ausgerückt waren, kamen gesund zurück.

Nach mündlicher Überlieferung hat der Prunkdienstagmorgen folgende Bewandtnis:
Als 1871 die jungen Soldaten siegreich aus dem Kriege nach Hause kamen, war ihr kriegerischer Instinkt nicht ganz abgestumpft. So wurde am Kirmesdienstagmorgen nach der heiligen Messe der Ohof belagert und gestürmt. Als Belagerungsgeschütze wurden eine Anzahl "Katzeköpp" (Böller) abgeschossen; die einen großen Krach machten. Dann wurde der Ohof mit Hurra gestürmt. Nachdem sich „Freund und Feind" die Hand gereicht und ausgesöhnt hatten, wurde auf dem Hof des Ohofes der Friede mit einem Faß Bier, das der jeweilige Schützenkönig spendieren mußte, gefeiert. Als nun mit der Zeit die Krieger von 1870/71 heirateten und nicht mehr aktives Mitglied waren, wurde die Belagerung vom Ohof aufgegeben, aber das Trinken des Bieres wurde nicht aufgegeben, sondern fand an der Wohnung des Schützenkönigs statt.

Soweit der Bericht aus der Chronik. Nachzutragen bleibt, dass daraus heute der kleine feuchte Umzug der Schützen am Kirmesmontagmorgen geblieben ist.
 

Eine Krise im Ratheimer Schützenleben:

Peter Schlebusch berichtet in seinen Aufzeichnungen weiter:

„Das Schützenleben der Junggesellenbruderschaft verlief nach dem Wiederaufbau nach Ende des I. Weltkrieges bis 1930 in dem gewohnten Rahmen. Als im Jahre 1930 am Frühkirmesmontagnachmittag die Schützenbruderschaft zum Abholen des Königspaares angetreten war, fehlte der gesamt Vorstand, der, wie sich nachher herausstellte, in einer Wirtschaft hinter dem Biertisch saß. Der große Umzug fand dann doch statt, ohne Vorstand und Präsident. Dienstagmorgen nach dem Frühschoppen beim Schützenkönig vollzog sich ein Drama, das für das Schützenwesen beschämend war. Auf dem Rückzug vom Schützenkönig zum Bruderhaus Winkens löste sich die Bruderschaft in Nichts auf. Auf der oberen Vennstraße angelangt, ging jeder seines Weges. Die Fahnen wurden an die Hausfronten gestellt und sich selber überlassen. Die Fahnen wurden dann später von den Bewohnern in ihren Häusern geborgen. Allgemein hieß es daraufhin in Ratheim: "Die"Jonges" haben aufgehört zu bestehen." Das war nun für das Schützenherz, wie das meine zuviel. Ich übernahm die Initiative trotz meines Alters und meiner zerschossenen Glieder und rief eine Generalversammlung ein. Die Vorkommnisse von der Frühkirmes wurden heftig diskutiert und ein neuer Vorstand gewählt. Um nun den Ratheimern zu zeigen, dass die „Jonges" doch noch da waren, wurde für die Herbstkirmes folgender Plan aufgestellt und durchgeführt:
  • Samstagnachmittag großer Festumzug durch den Ort
  • Um die völlig leere Kasse wieder aufzufüllen soll in den Anlagen des Jägerhofes ein großes Preisvogel- und Preissternschießen veranstaltet werden.
Beides klappte. Nach dieser Herbstkirmes wurde in einer weiteren Generalversammlung ein neuer Präfekt (Vorsitzender) gewählt und das Vereinsleben bei den „Jonges" verlief wieder normal.

Soweit der Bericht. Der Grund für diese Krise ist nicht bekannt.
 

Eine Merkwürdigkeit

Protokollbuch der St. Sebastianus Bruderschaft 1954:

„Erstmalig nahm die St. Sebastianus Bruderschaft nicht an der Fronleichnamsprozession teil, weil der geistliche Präses die Tradition durchbrach und die St. Josefs Schützen nicht den Baldachin tragen ließ. Als die von ihm Bestimmten von dem Bruch der Tradition erfuhren, lehnten diese es auch ab den Baldachin zu tragen. So fand die Prozession ohne Baldachin statt."
 

Die Ehrenschüsse beim Königsvogelschuß im Jahre 1959 - zum Schmunzeln

Im Jahresbericht der Bruderschaften für 1959 heißt es:

„Der Königsvogelschuß 1959 war für Ratheim wieder ein Volksfest. Trotz kalter Witterung hatten sich zahlreiche Zuschauer eingefunden. Zur Abgabe der Ehrenschüsse hatten sich eingefunden:
  • Der geistliche Präses, Herr Pfarrer Pütz, schoß für Seine Heiligkeit den Papst,
  • Herr Kaplan Birker schoß für den Bischof
  • Herr Bürgermeister Heinen für den Bundespräsidenten,
  • Herr Amtmann Wolf schoß anstelle des erkrankten Gemeindedirektors D. Rürup für den Bundeskanzler,
  • Herr Baron Egon Freiherr Spies von Büllesheim schoß als Protektor."

(aus dem Pfarrbrief Weihnachten 2001)



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