Pfarrgemeinde St. Johannes d.T. Ratheim 

und unsere Gemeinschaft der Gemeinden

Portrait Dr. Adolf von Spies
Dr. Adolf von Spies
Bildquelle: Photo im
Besitz von Max von Spies
 

Dr. Adolf von Spies (1929 - 2011)

von Heinz-Willi Schorn (2012)
 

„Er war mein bester Freund“! Mit Tränen in den Augen und selbst gezeichnet von seiner schweren Erkrankung, wandte er sich – nach der Sonntagsmesse im Januar des vergangenen Jahres – mir zu. Johannes Bürger war gestorben: Sie waren Schulfreunde und gemeinsam Messdiener gewesen und hatten ihren Spaß daran gehabt, das Weihrauchfass „mit Überschlag“ zu schwenken – wenn auch nicht zur Freude des Pastors. Diese und andere gemeinsame Erlebnisse in der Kinder- und Jugendzeit waren die Grundlage für ihre bis zum Lebensende währende Freundschaft, die auch ihre gemeinsamen gesellschaftspolitischen und religiösen Überzeugungen sowie die damit verbundene Mitarbeit in den pfarrkirchlichen Gremien Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat mit einschloss. Drei Jahre – von 1969 bis 1972 – leiteten sie gemeinsam die Geschicke unserer Stadt, die damals noch Hückelhoven-Ratheim hieß: Johannes Bürger als Stadtdirektor und Dr. Adolf von Spies als Bürgermeister.

Eine meiner ersten Erinnerungen an Dr. Adolf von Spies war ein Zeitungsbericht über seinen Einsatz während des Aufstandes der Ungarn gegen ihre kommunistische Regierung und die sowjetische Besatzungsmacht im Winter 1956/57. Er hatte mit sieben Freunden aus dem Malteser-Orden und vier Lkw unter abenteuerlichen Bedingungen medizinische Hilfsgüter nach Budapest transportiert, um sie den Kranken und Verletzten zu bringen. Unter Einsatz ihres Lebens konnten sie – die Transportmittel zurücklassend – aus der ungarischen Hauptstadt fliehen, kurz bevor der Aufstand von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurde. Es waren wohl prägende Erfahrungen wie diese, die ihn – Zeit seines Lebens – mit den Maltesern eng verbanden. So war er von 1957 bis 1972 einmal jährlich verantwortlicher Leiter für Pilgerzüge von Köln nach Lourdes. Für jeweils 10 Tage hieß es, Kranke zu betreuen, zu pflegen und zu bekochen. Auch in den Jahren danach standen Pilgerfahrten nach Lourdes auf seiner Agenda – wenn auch nicht so intensiv wie bisher, doch meistens verbunden mit karitativen Aufgaben.

Stattdessen nahm ihn – ab 1972 – über einen Zeitraum von 15 Jahren seine Tätigkeit als Abgeordneter des Deutsches Bundestages und sein darüber hinausgehendes Wirken in europäischen Gremien stärker in Anspruch. Er wurde – über alle Parteigrenzen hinweg – geachtet wegen seiner Offenheit und Geradlinigkeit, seiner Fairness und Verbindlichkeit, getreu seinem Leitspruch: „Tue recht und scheue niemand“! Zahlreiche Bürger – ohne Unterschied ihrer sozialen Herkunft oder ihrer Parteizugehörigkeit – suchten ihn auf, fragten ihn um Rat und suchten mit ihm gemeinsam nach Lösungen ihrer Probleme. Verlässlich wie er war, blieb niemand ohne Antwort. Vielen konnte er helfen.

Jedoch ohne die Unterstützung und den Rückhalt durch seine Familie – insbesondere seiner Frau Concha – hätte er diesen Lebensabschnitt wohl nicht bewältigen können. Als sie im November 2002 nach längerer Krankheit starb und ihrem geliebten Sohn Franz in die Ewigkeit folgte, hatte die Familie – wie er es einmal ausdrückte – ihren Mittelpunkt verloren. Er war dem lieben Gott und seiner Frau Concha dankbar für mehr als 41 Jahre glücklicher Ehe, für sechs Kinder, für vierzehn Enkel (heute sind es zwanzig) … und dafür, dass sie den ganzen Bogen des Lebens zusammen haben erfahren dürfen.

In seinem Heimatort Ratheim, besonders in der Pfarre St. Johannes der Täufer, war er stark verwurzelt. So findet auf Haus Hall schon seit vielen Jahren am Tag Christi Himmelfahrt die Heilige Messe unter freiem Himmel sowie im Anschluss daran der Vogelschuss der Ratheimer Bruderschaften statt, deren Protektor er war. Es machte ihm große Freude, dieses schöne Ambiente von Haus Hall für die Ratheimer Bevölkerung zu öffnen. Heute setzt Sohn Max mit seiner Familie gerne diese gute Tradition fort.

Spazierengehend, durch das Haller Bruch oder entlang des Adolfo-Sees konnte man Dr. Adolf von Spies begegnen (das Ratheimer Urgestein Heinrich Knorr hatte den See einst aus einer Feierlaune heraus auf seinen Namen „getauft“), in den letzten Jahren an der Seite seiner Frau Katharina, die ihm – in zweiter Ehe – eine treue und liebevolle Partnerin bis zu seinem Lebensende war.

Vor kurzem sah ich ein Foto, das Dr. Adolf von Spies zeigt, wie er bei seinem letzten Geburtstag mit dem Rollator seinen Enkel Ludwig durch die Wohnung spazieren fährt. Es strengte ihn wohl sehr an. Aber er tat es sichtlich mit großer Freude. So ähnlich hatte er ja auch in Lourdes über viele Jahre Kranke unterschiedlicher Herkunft transportiert, die gemäß der Ordensregeln der Malteser als „die Herren Kranken“ bezeichnet werden, da Christus in ihnen gegenwärtig ist. Gottesdienst als Dienst am kranken und in Not geratenen Menschen, eine Seite seines Lebens, die mir lange verborgen blieb.

„Jetzt bin ich schon älter als achtzig Jahre“, sagte er mir bei einer letzten Begegnung. „Der liebe Gott hat mir ein erfülltes Leben geschenkt. Jedes Jahr darüber hinaus ist ein besonderes Geschenk“. Dieses ihm geschenkte Leben hat er in kindlichem Vertrauen in die Hände des Schöpfers gelegt.

Ein Gebet des Hl. Nikolaus von der Flüe, das auf seinem Totenzettel steht, könnte seinen Lebensweg geprägt haben: „Mein Herr und mein Gott, nimm alles mir, was mich hindert zu dir; gib alles mir, was mich führet zu dir; nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“

Wir denken gerne an ihn zurück und sagen Danke.


Aus dem Ratheimer Pfarrbrief Ostern 2012